An der internationalen Fußballbörse wird der FC Salzburg nach wie vor als Außenseiter gehandelt. Mehr steht einer österreichischen Mannschaft in der ziemlich streng hierarchisch strukturierten europäischen Fußballgesellschaft auch nicht zu. Doch das Red-Bull-Team hält sich nicht an solche Regeln oder Vorgaben. Sie spielen, als seien sie die Favoriten. Und so gestalteten die Salzburger auch den ersten Champions-League-Auftritt der neuen Saison nach ihren eigenen Vorstellungen. Selbstbewusst und offensiv, inklusive des erst 18-jährigen großen Talents Dijon Kameri, stellte sich die Auswahl von Matthias Jaissle dem AC Milan entgegen. Dass es sich um den italienischen Meister handelte, war dem österreichischen Serienchampion herzlich egal, sie beanspruchten die Vormachtstellung im eigenen Umfeld.

Daher staunten die lärmenden Tifosi im vollgepackten Fansektor der „Rossoneri“ nicht schlecht, als die Salzburger zunächst mehr Intensität auf den Platz in der prall gefüllten Red Bull Arena brachten als die Gäste und dann auch noch in Führung gingen. Fernando setzte nach Balleroberung Noah Okafor ein, der Schweizer narrte die Abwehr und schoss ein (28.). Das Stadion bedankte sich mit Standing Ovations. "Schade, dass es nicht für drei Punkte gereicht hat. Aber auf dem können wir aufbauen. Ich bin überzeugt, dass wir für eine Überraschung sorgen können", meinte der Schweizer.

Dabei musste Jaissle kurzfristig umstellen, weil sich Max Wöber beim Aufwärmen verletzt hatte. Für ihn kam Strahinja Pavlovic, der dann auffällig um die Lufthoheit im Salzburger Strafraum bemüht war. Die Mailänder reagierten zornig auf den Rückstand und steigerten, nachdem sie schon vor dem Gegentreffer halbgefährlich geworden waren, den Energielevel. Und dann ist es passiert. Ein Pressing der Salzburger in der gegnerischen Hälfte wurde mit einem Doppelpass ausgehebelt, und da war es um die Ordnung in der Abwehr geschehen. Rafael Leão zog auf und davon, passte zur Mitte und Alexis Saelemakers schoss ein. Weil sich zu allem Überfluss Oumar Solet verletzte, fehlte den Salzburgern plötzlich die Standard-Innenverteidigung.

Doch von diesen Rückschlägen ließen sich die Salzburger nicht aus dem Konzept bringen und zogen auch nach Seitenwechsel ihr System konsequent durch. Diese Einstellung hätte in der 53. Minute nach einem herrlichen Angriff fast die verdiente Führung gebracht. Okafor ließ nach einem grandiosen Seitenwechsel-Pass zwei Rossoneri stehen, leitete den Ball zu Maurits Kjaergaard, der den herangerauschten Fernando bediente. Aber der Brasilianer jagte die Kugel weit über das Tor. Salzburg investierte weiterhin mehr in die Offensive als Milan, doch das Team des permanent gestikulierenden Stefano Pioli strahlte dennoch stets Gefahr aus, auch wenn sie nicht immer sichtbar war.

Beide Mannschaften wollten den Sieg, ein Remis erschien vor allem den Salzburgern zu wenig angesichts des Aufwands, der demonstrierten spielerischen Klasse und der Qualität der Torchancen. Dann hatten die Salzburger noch großes Glück, als der Ball in der letzten Minute der Nachspielzeit an der Stange landete. "Man kann zufrieden sein, wenn man gegen Italiens Meister einen Punkt herausholt. Ich hätte gerne einen Sieg gehabt, aber im Großen und Ganzen kann man zufrieden sein", resümierte Amar Dedic.