Wenn Diego Simeone am Spielfeldrand den Rasen malträtiert, wild und hysterisch mit den Armen fuchtelt und permanent Wortfetzen auf den Platz schleudert, dann staunt der Beobachter, dass Atletico Madrid überhaupt fähig ist, ein geordnetes Fußballmatch abzuliefern. Das Team aber ist nicht nur dazu in der Lage, die vom Argentinier betreute Mannschaft vollzieht dies auf höchst erfolgreiche Art und Weise.
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Im Viertelfinale der Champions League trifft Atletico heute auf Manchester City, betreut vom über alle Zweifel erhabenen Pep Guardiola. Die ausdrucksstarke Mimik und gezielt eingesetzte Gestik von Guardiola kommt zwar auch bisweilen spontan daher, scheint aber einem stringenten System unterworfen zu sein, analog zu von ihm entworfenen Spielplänen. Unterschiedlicher könnten die beiden Trainer-Charaktere inklusive der Spielweise der zwei Mannschaften nicht sein. Es naht ein Frontalzusammenstoß der Gleichaltrigen (51).
Zur Trainer-Kollision dieser besonderen Art kam es bisher noch nicht allzu häufig, obwohl beide Akteure ihre Mannschaften schon geraume Zeit bearbeiten und auch in der Champions League Dauergäste sind. Guardiola betreut Manchester City seit 2016. Ja, tatsächlich, sechs Jahre sind schon verstrichen, seit der Katalane den FC Bayern verlassen hat.
Drei Begegnungen
Zum Ausklang seines damaligen Engagements beim deutschen Rekordmeister bekam Pep ausgerechnet von Simeone noch eine unangenehme Abschieds-Begleitmusik beigestellt. Atletico eliminierte im Mai 2016 die Bayern im Champions-League-Halbfinale. Die beiden Partien (1:0, 1:2) waren die einzigen Duelle zwischen den beiden Trainern auf internationaler Ebene. National begegneten Simeone und Guardiola einander einmal, knapp nach dem Amtsantritt des Argentiniers im Februar 2012. Barcelona schlug Atletico 2:1.
Wenn Fußball auf die Stilfrage reduziert wird, dann würde Guardiola wohl jeden Preis gewinnen. Sein Team praktiziert das schöne Angriffs-Kombinationsspiel, die Ästhetik nimmt neben der Erfolgsorientiertheit einen zentralen Platz ein. Das vom Katalanen einst mit Barcelona bis zur Perfektion vorgeführte "Tiki Taka" hat er mit City weiterentwickelt, der Sieg in der Champions League blieb ihm in Manchester bisher dennoch versagt. Guardiola versucht seit jeher das fast Unmögliche, wenn er hochgradig talentierte und ebenso ausgebildete Individualisten auf einen gemeinsamen Nenner bringen will. Das gelingt fast immer. Fast.
Graffiti vs. Gemälde
Den höchsten fußballerischen Ansprüchen von Manchester City gegenüber steht die von einem ausgeprägten Kollektiv-Bewusstsein geprägte Atletico-Elf, welche die taktischen Vorgaben ihres seit 2011 werkenden Langzeit-Trainers Simeone im Schlaf beherrscht. Es ist kein gewöhnliches, starres Verteidigungs-Konzept, das die Spanier umsetzen, sondern angewandte Defensiv-Kunst, untermalt mit subtilen Aktionen. Simeone verhält sich zu Guardiola wie ein Graffiti zu einem Gemälde.
Der Mann aus Buenos Aires wurde schon mit allen möglichen und unmöglichen Attributen bedacht, genannt wird er etwa der "Meister der dunklen Künste". Das bezieht sich einerseits auf sein äußeres Erscheinungsbild, denn er stellt sich meist ganz in Schwarz auf der Fußballbühne zur Schau. Gemeint sind aber vor allem auch seine taktischen Finessen, mit denen schon so mancher spielerisch überlegene Gegner ausgehebelt wurde. Dazu gehört auch der nicht immer dem Fairnessgebot entsprechende Griff in die Trick-Kiste, handelsübliche Maßnahmen wie Spielverzögerung und Rhythmusbrecher beim Gegner inbegriffen. Das weiß natürlich auch Guardiola. "Er ist ein Meister für die K.o.-Runde. Es gibt viele Spielchen während des Spiels, und er beherrscht die verschiedene Arten von Spielchen perfekt", ist der City-Coach auf zumindest einige Störungen vorbereitet.
Atletico ist in Form, zuletzt gab es sechs Liga-Siege in Folge, und im Achtelfinale der Champions League wurde City-Stadtrivale Manchester United aus dem Bewerb geworfen. Für die Guardiola-Elf geht es im Etihad-Stadion Schlag auf Schlag. Am Sonntag folgt der für den Titel in der Premier League vorentscheidende Schlagabtausch gegen den FC Liverpool.