Die große Frage lautet jetzt: Wenn Wladimir Putin laufend Grenzen überschreitet, wo liegen zum Beispiel dann die Grenzen für die verantwortlichen Stellen im Weltsport? Die Anerkennung der ukrainischen Separatistenregionen Donezk und Luhansk durch den russischen Staatschef reicht für Sanktionen offenbar nicht aus. Bewegt erst ein Krieg die zuständigen Instanzen zum Einlenken?

Russland ist tief verstrickt in den Sport, dieser wird als Vehikel für Machtausbau und -erhalt betrachtet. Einerseits erfolgt diese Einflußnahme durch laufende Durchführung internationaler Großereignisse, in erster Linie aber durch intensives, gezieltes Sponsoring in maßgeblichen Bereichen, wobei vor allem der Fußball als zentrale Anlaufstelle gilt. Der Staatsbetrieb Gazprom ist seit 2012, also seit mittlerweile zehn Jahren, Hauptsponsor der Champions League. Der mit einem Marktanteil von mehr als 25 Prozent weltweit größte Gasproduzent pumpt jährlich Hunderte Millionen in den europäischen Fußballbetrieb. Schalke 04 wird seit 15 Jahren vom Energiekonzern gespeist, der Jahresbeitrag beläuft sich auf zehn Millionen in Liga zwei, in der deutschen Bundesliga soll es das Doppelte gewesen sein.

Bei der UEFA gehört nicht nur die Eliteklasse zu den dankbaren Abnehmern, auch die Nations League wird unter anderem etwa von Gazprom maßgeblich unterstützt. Im vergangenen Jahr erst wurde ein neuer Dreijahres-Sponsorvertrag abgeschlossen, darin inkludiert sind die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland und das Endspiel der Nations League 2023. Auf diese Gelder kann und will die UEFA derzeit (noch) nicht verzichten. Präsident Aleksander Čeferin geht offenbar davon aus, dass die Lage nicht weiter eskaliert und sieht derzeit noch keinen akuten Handlungsbedarf. Man liege quasi in Lauerstellung. "Wir beobachten die Entwicklung", erklärte der Slowene, vorbehaltlich einer Verschärfung und darauf hoffend, dass diese nicht passiert.

Schon lange Krieg

Allerdings werden aus dem Osten der Ukraine schon jetzt permanent Kampfhandlungen gemeldet und der Sport gehört eigentlich schon über einen sehr langen Zeitraum zu den Opfern. So muss der ukrainische Spitzenfußballklub Schachtar Donezk, ein Dauergast in der Champions League, seine Spiele seit vielen Jahren im 1000 Kilometer entfernten Lwiw (Lemberg) im Westen des Landes austragen. Das Heimstadion, die anlässlich der Euro 2012 errichtete Donbass-Arena, ist stillgelegt.

Diskutiert wird angesichts der angespannten Lage auch über in Russland und in der Ukraine geplante Veranstaltungen. Das in St. Petersburg am 28. Mai angesetzte Champions-League-Finale steht schon seit Dienstag im Fokus, aber auch andere Schauplätze geraten im Zuge von möglichen Sanktionen ins Visier.  Da mutet es aus gegebenem Anlass einigermaßen kurios an, dass zwar russische Veranstalter von internationalen Sport-Ereignissen vorerst noch verschont werden, ukrainische Schauplätze aber "aus Sicherheitsgründen", wie es heißt, gemieden werden. So hat der Europäische Handball-Verband internationale Spiele zunächst für die kommenden vier Wochen in der Ukraine untersagt.

Selbsthilfe ist angesagt

Was Russland betrifft, greifen einige mangels koordinierter Maßnahmen zur Selbsthilfe. So hat Manchester United den mit seinem russischen Airline-Partner Aeroflot geplanten Flug zum Champions-League-Match bei Atletico Madrid abgesagt und stattdessen eine eigene Maschine gechartert. Die "Red Devils" setzten somit ein mehr als deutliches Signal. Ob diesem Beispiel andere folgen werden, bleibt abzuwarten.

In den Blickpunkt geraten angesichts der jüngsten Entwicklungen auch eng dem Sport verbundene russische Oligarchen im Ausland wie etwa Roman Abramowitsch. Der Eigentümer des FC Chelsea gilt als Vertrauter von Wladimir Putin und steht in Großbritannien unter Beobachtung, wobei Premier Boris Johnson wohl schon etwas voreilig war, als er meinte, es gebe bereits Sanktionen gegen Abramowitsch. Außenministerin Liz Truss dementierte dies später auf Sky Sports, und wollte sich zu möglichen Strafmaßnahmen nicht konkret äußern. "Vom Tisch ist aber gar nichts, was künftige Sanktionen betrifft."