Matthias Jaissle erweckte noch lange nach dem wohl auch für ihn intensivsten Match seiner im Anfangsstadium befindlichen Trainerkarriere den Eindruck, als wäre er geistig noch in einem fernen Reich. Er wirkte ein wenig entrückt und hatte offenbar den viel zitierten "Tunnel" noch nicht verlassen, dabei war der österreichische Fußball gerade mit einem der hellsten Momente beglückt worden.

Auf den Auslöser für dieses Beben gedrückt hatten natürlich der FC Bayern, aber vor allem auch seine Salzburger, deren Auftritt an diesem Achtelfinalabend der Champions League im Epizentrum namens Red Bull Arena Staunen und kollektive Begeisterung hervorrief, denn es war eine Leistung, die insofern schwer einzuordnen ist, weil sie nicht von dieser österreichischen Fußballwelt zu stammen schien, zumindest in der ersten Hälfte. Die Frage, wie lange er denn jetzt brauchen würde, um das 1:1 gegen den "besten Klub der Welt" (u. a. Jaissle) zu verarbeiten, beantwortete der 33-jährige Trainer scheinbar routiniert. "Ich erhole mich sicher schneller als die Jungs. Nach dem, was die geleistet haben, werden sie schon den einen oder anderen Tag brauchen."

Natürlich müssen in diesen kollektiven Überschwang auch Einschränkungen vorgenommen werden. Schließlich war das 1:1 ja kein Sieg, der es hätte werden können, hätte nicht Benjamin Pavard in der 81. Minute das fast sicher scheinende zweite Tor des ungemein präsenten, körperlich enorm starken und von seinem Timing her äußerst präzisen Ersatzstürmers Junior Adamu gerade noch verhindert. Ein 0:2 wäre an diesem Abend selbst von den Bayern, denen ja alles zugetraut wird, nicht mehr wettgemacht worden.

Auch gilt es, das Spiel nach der Pause noch einmal zu reflektieren. Es zeigte sich, dass der in Halbzeit eins exekutierte Fußball in Höchstgeschwindigkeit, gepaart mit Top-Qualität, nur von einer absoluten und erfahrenen Weltklassemannschaft über eine volle Spielzeit durchzustehen ist. "Es war klar, dass wir die Bayern nicht über 90 Minuten auf diese Weise stressen können", meinte Jaissle. Die Umschaltaktionen hätten nicht mehr ganz so wunschgemäß geklappt, das führte letztlich zu einer doch sehr ausgeprägten optischen Überlegenheit der Münchner. Diese Erfahrung machten die Salzburger auch in der Champions League bisher kaum und in der österreichischen Bundesliga so gut wie gar nicht. "Da müssen wir ansetzen für das Rückspiel", hat der Coach schon einen klaren Anhaltspunkt. 

Bayern-Trainer Nagelsmann zurückhaltend

Es wirkt aus heimischer Sicht ja schon wie eine Beruhigungspille, verabreicht von Bayern-Trainer Julian Nagelsmann, der erklärte, mit der Leistung seiner Mannschaft in Hälfte zwei durchaus zufrieden gewesen zu sein. Natürlich war er konfrontiert mit Fragen, ob ein 1:1 gegen den österreichischen Meister denn den Ansprüchen des deutschen Rekordmeisters gerecht werden würde. Obwohl es ihm fast in den Mund gelegt wurde, vermied er ein klares Nein, er wollte wohl die Darbietung der Salzburger bewusst nicht abwerten.

Dem Salzburger Selbstwertgefühl geschadet hat die Begegnung jedenfalls gewiss nicht, im Gegenteil. "Wir werden von unserer Art und Weise des Spiels nicht abrücken", verspricht Jaissle für die Retourpartie am 8. März (21 Uhr) in der Allianz-Arena schon einen ähnlichen Gala-Auftritt. "Wir gehen nach München mit breiter Brust und werden dann sehen, was herauskommt."

Wie die Stimmung dort dann sein wird, ist noch offen, vielleicht fallen ja auch in Deutschland alle Zuschauer-Restriktionen, nach derzeitigem Stand wären wohl 25.000 erlaubt im 70.000er-Stadion. Die Fans in Salzburg jedenfalls haben bei den Heimischen ein Hochgefühl hervorgerufen. "Es war eine überragende Stimmung, eine geile Energie, eine geile Atmosphäre , das hat die Jungs bis zum letzten Prozentsatz nach vorne gepusht", sagte Jaissle und lächelte. Der Tunnelausgang war immer noch nicht erreicht.