Sie sind gerade 24 geworden. Was bedeutet es für Sie, Fußballprofi geworden zu sein. Denkt man hin und wieder grundsätzlich darüber nach und sagt sich, das ist eigentlich schon ziemlich cool?

MAXIMILIAN WÖBER: Je älter ich werde, desto mehr lerne ich das zu schätzen. Du bist ja in gewisser Weise privilegiert, weil dir sehr viel abgenommen wird. Uns wird ein All-inclusive-Paket zur Verfügung gestellt, was medizinische Betreuung betrifft, die Kulinarik, die Wohnungssuche, Auto, und so weiter. Uns wird mit allem geholfen. Das ist sicher nicht Normalität, vor allem wenn ich die Situation vergleiche mit jener meiner Freunde, die studieren oder gerade ins Berufsleben einsteigen. Das kann man nicht vergleichen. Es ist ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist, für den ich aber auch schon sehr früh sehr viel geopfert habe. Ich habe auch schwere Zeiten durchgemacht, weil ich in meiner Anfangszeit von Verletzungen nicht verschont geblieben bin. Ich weiß das zu schätzen, was ich erreicht habe. Die harte Arbeit lohnt sich und es macht extrem viel Spaß jeden Tag.

Hat es Momente gegeben, in denen Sie überlegt haben, das ist mir jetzt doch zuviel, oder haben Sie sich in schwierigen Situationen immer sofort gesagt: Da beiß ich durch?

Das erste Mal, als ich aufhören wollte, war mit 16. Da habe ich eineinhalb Jahre gar nicht Fußball spielen können. Ich bin zweimal am Knie operiert worden, habe mit der Hüfte Probleme bekommen. Ich musste das Laufen neu lernen. Und dann ist etwas für meine Mutter Untypisches passiert. Ausgerechnet sie, die mir jahrelang gepredigt hatte, ich solle doch was "G´scheites" machen, hat gesagt, nein, jetzt hast du so viel dafür getan, probier es noch einmal, und dann ist es Gott sei Dank ziemlich schnell in eine positive Richtung gegangen.

Dann ist sozusagen die Mutter ausschlaggebend dafür, dass Sie Profi geworden sind?

Sie hat mich zumindest überredet, es damals noch einmal zu probieren, auf Leistungsniveau Fußball zu spielen, weil sonst die Leidenszeit eigentlich umsonst gewesen wäre. Hätte ich damals aufgehört, wäre ich jetzt nicht da, wo ich bin.

Sie sind bei Rapid fußballerisch groß geworden und dann sehr früh ins Ausland gekommen. Zunächst waren Sie bei Ajax, dann, wenn auch wesentlich kürzer, in Sevilla. Welche Erfahrungen haben Sie da besonders geprägt?

Ich bin mit 18 nach Amsterdam gezogen. Was ich nie vergessen werde, sind die ersten Tage, wenn man in der eigenen Wohnung steht, und nicht wirklich weiß was zu tun ist, wie man überlebt. Das war ein prägender Moment, in dem ich gecheckt habe, jetzt geht das Leben so richtig los. Jetzt bist du nicht mehr im Hotel Mama, wo alles für dich erledigt wird. Da habe ich ein bisschen gebraucht, um selbstständig zu werden. Im Zuge dessen war es eine Riesenerfahrung, in Amsterdam zu sein, Ich habe es dann genossen, es ist eine unglaubliche Stadt. Aber es gab eben gewisse Phasen, in denen es mir nicht gut ging, was der Fußball nicht ausgleichen konnte. Ich musste lernen, mit der Situation klar zu kommen, offener und selbst aktiv zu werden, was Gescheites anzufangen, zu erkennen, dass es mehr als Fußball gibt.

Fußball ist aber das zentrale Thema in Ihrem Leben. Was haben Sie in sportlicher Hinsicht vom Ausland mitgenommen?

In Amsterdam lag der komplette Fokus auf dem klassischen Kurzpassspiel, es gibt sehr viel Ballbesitzfußball, jeder erste Kontakt muss perfekt sitzen, alles läuft viel schneller ab, die Qualität ist höher, man hat nicht mehr so viel Zeit und muss alles technisch so gut wie möglich ausführen. Das habe ich mitgenommen, auch für meine nächsten Stationen. Die typische Ajax-Schule ist gepredigt worden, da habe ich sicher einen großen Schritt vollzogen.

Sie sind dann nach Sevilla gewechselt und von dort wieder nach Österreich zurückgekehrt. Wie sind die Reaktionen ausgefallen, wie wurde dieser Schritt aufgenommen?

Unterschiedlich. Viele Leute haben gemeint, das ist ein Schritt in die falsche Richtung.

Dass dies ein Abstieg sei, wurde das auf diese Weise kommuniziert?

Genau. Einige haben gesagt, das ist ein Abstieg, wieso macht er das? Aber diejenigen, die mich kennen und die wissen, wie ich als Person ticke, welche Prioritäten ich mir setze, die haben erkannt, dass es für mich perfekt passt. Und es hat sich ja herausgestellt, dass es kein sportlicher Abstieg ist. Mittlerweile durfte ich 20 Champions-League-Spiele mit Salzburg bestreiten, auf absolutem Topniveau.  Noch dazu hat sich die Liga sehr ins Positive entwickelt, wenn man sieht, wie sich die anderen Vereine international schlagen, sie ist um einiges stärker geworden, auch wenn man sie mit einer großen Liga nicht vergleichen kann. Ich habe aber erkannt, dass ich einen Neuanfang starten kann, in einem Verein mit viel Potenzial und Qualität, wo man auf die jungen Wilden setzt und die Großen in Europa ärgern möchte, und das haben wir in den letzten Jahren geschafft. Da bin ich ungeheuer froh, ein Teil davon sein zu können.

Es war also für Sie klar die richtige Entscheidung. Wie haben Sie sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren bei Salzburg entwickelt, als Mensch und als Fußballer?

Im physischen Bereich habe ich auf alle Fälle einen großen Schritt gemacht, auch das hohe Pressing, durch die Intensität, die wir in jedem Spiel auf den Platz legen. Als ich gekommen bin, habe ich gleich eine richtig gute erste Saison gespielt. Ich bin aber dann vielleicht ein wenig in einen Wohlfühlmodus verfallen. Da habe ich mir gedacht, es läuft alles automatisch, ich bin unangefochtener Stammspieler, mir kann nichts passieren. Die zweite Saison war dann durchwachsen, nicht schlecht, aber es waren keine herausragenden Spiele dabei, wo man gesagt hat, der Max ist der Fels in der Brandung.  Seit dem Spiel in Sevilla, wo ich eine absolute Schweinspartie gespielt habe, habe ich für mich einen Schlussstrich gezogen, mir gesagt, ich muss Vollgas geben, darf auch nur spielen, wenn ich zu hundert Prozent fit bin, habe sehr viel umgestellt, sehr viel verändert, Extra-Einheiten eingelegt. Und seither glaube ich, merkt man, dass ich wieder der "alte" Max bin, dass ich ausstrahle, was ich mir vornehme, dass  die Leistungskurve exponentiell nach oben steigt.

Welche Rolle hat in diesem Zusammenhang mit ihrer Kehrtwende, zu  den alten Tugenden zurückzukehren, der neue, sehr junge Trainer gespielt? Was zeichnet Matthias Jaissle aus?

Er ist ein irrsinnig akribischer Trainer, der auf jedes Detail achtet. Schon bevor er das Amt übernommen hat, hat er mir ganz klar zu verstehen gegeben, dass er weiß, was ich kann und dass ich da noch lange nicht angekommen bin, dass er alles aus mir herauskitzeln möchte. Er hat mir erklärt, dass er keine Nachlässigkeiten akzeptieren wird. Seit diesem Gespräch hat er sich kein einziges Mal mehr darüber beschweren müssen, dass ich einen Schritt zu wenig mache. Ich bin eher einer, der mehr macht.

Wie betrachten Sie Ihre Rolle innerhalb der Mannschaft, als Spieler wie auch als Persönlichkeit?

Ich denke, dass ich ein Führungsspieler bin, sowohl was die fußballerische Qualität als auch die Persönlichkeit betrifft. Ich bin bereit, voranzugehen, in schwierigen Situationen zu helfen und kann den ganz Jungen wertvolle Tipps geben, da ich ja auch schon einiges an Erfahrung gesammelt habe.

Nun steht der Mannschaft mit dem Achtelfinale gegen den FC Bayern ein großes Duell bevor. Was bedeutet für Sie dieses Spiel und wie beurteilen Sie die Aussichten, gegen diesen Gegner bestehen zu können?

Es ist natürlich ein absolutes Highlight und auch ein Riesenerfolg, den wir uns hart erarbeitet, durch die Leistungen aber auch absolut verdient haben. Es wird für jeden von uns das bisher wohl größte Spiel seiner Karriere sein. Wir freuen uns richtig darauf. Wir haben ja schon einmal gegen die Bayern gespielt und da in beiden Spielen über 75 Minuten gezeigt, dass wir mithalten und auch Möglichkeiten haben, gewinnen zu können. Wir wissen natürlich, dass die Bayern in gewisser Weise übermächtig sind, aber wir müssen uns nicht kleinreden und als absoluten Underdog hinstellen, sondern die Rolle annehmen und die beste Leistung auf den Platz bringen, dann werden wir sehen, was herausschaut.

Sie meinen, zum krassen Außenseiter wird die Mannschaft ohnehin erklärt, da müssen sich nicht auch noch die Spieler selbst daran beteiligen?

So ist es. Wir wissen Bescheid über unsere Qualitäten. Und auch wenn unsere Gruppe oft als die einfachste dargestellt wurde, so hat man doch gesehen, dass es richtig schwer war, wo alle Gegner auf Augenhöhe waren. Sich da als Salzburg durchzusetzen mit der jüngsten Mannschaft in der Champions League mit durchschnittlich 22 Jahren, das spricht für sich selbst und unsere Qualitäten. Da brauchen wir nicht in Ehrfurcht zu erstarren, sondern müssen mutig und überzeugt von dem was wir machen, auf den Platz bringen. Aber wir wissen auch, dass wir gegen eine der weltbesten Mannschaften antreten.

Welche Lehren wurden aus den ersten Erfahrungen mit den Bayern gezogen?

Das Wesentlichste, was wir gelernt haben, ist, dass in 90 Minuten zu hundert Prozent in jeder Situation höchste Aufmerksamkeit nötig ist. Jeder kleinste Fehler wird knallhart bestraft, da müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht selber ins Knie schießen. Aber die Auftritte in beiden Spielen waren gut, wir hätten auch in München in Führung gehen können. Aber jede Situation kann entscheidend sein und da waren wir dann nicht bereit genug, und daher haben wir noch drei Tore in den letzten Minuten bekommen. Wenn wir das abschalten, können wir die Bayern sicher ärgern.

Sie sehen also Möglichkeiten?

Auf alle Fälle. Wenn wir uns hinstellen und sagen, wir haben keine Chance, brauchen wir gar nicht anzutreten.

Wie beurteilen Sie den Stellenwert von Red Bull Salzburg innerhalb des europäischen Klub-Fußballs? Wie nehmen Sie als Spieler dies wahr?

Ich glaube, dass sich Salzburg über die Jahre einen sensationellen Ruf aufgebaut hat. Nicht umsonst gehen jedes Jahr Spieler zu absoluten Topvereinen. Und wenn wir schauen, wie viele Fußballer mit Red-Bull-Salzburg-Vergangenheit in der Champions League spielen, zeigt das, wie gut man hier arbeitet, wie gefürchtet unser Spiel ist. Nicht jeder spielt gerne gegen uns. Ich glaube, dass wir nicht mehr als Wunschgegner gelten, sondern dass die Konkurrenz eher sagt, ´okay, das könnte für uns richtig unangenehm werden´.