Acht Mal spielte der Deutsche Kai Havertz für Leverkusen in der Champions League, elf Mal für Chelsea. Ein Tor ist dem Offensivspieler bisher verwehrt geblieben. Bis zum zwölften Spiel für Chelsea, das Finale gegen Manchester City. Und da nutzte Havertz nach 43 Minuten einen exzellenten Lauf von Nationalteam-Kollegen Timo Werner und stand plötzlich alleine vor City-Torhüter Ederson und traf. "Ich habe lange Zeit gewartet, jetzt ist es mir endlich gelungen", sagte Havertz, noch ganz mit dem Verarbeiten der Eindrücke beschäftigt, nach dem Spiel.
Es war das entscheidende Tor im Finale. "Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Ich möchte mich bei meiner Familie bedanken. Bei meinen Eltern, meinem Bruder, meiner Oma, meiner Freundin. Sie sind heute alle da", sagte Havertz. Es war eine der Besonderheiten des Spiels: Alle Spieler und Betreuer hatten ihre Familien im Stadion.
Havertz Kapitän Cesar Azpilicueta war - bei aller Emotionalität - da schon sachlicher: "Kai verdient es, er hat eine super Mentalität. Er hat uns die Champions League geschenkt und ist gelaufen wie ein Verrückter. Es war eine schwierige Saison für ihn, darum verdient er das. Und ich sage euch: Er wird einer der Superstars des Sports in der Zukunft."
Eltern, Frau und Kinder im Stadion sind auch für Chelsea-Trainer Thomas Tuchel der erste Gedanke nach dem Sieg. Tuchel ist ohne Familie in London, beim Finale war die Familie im Stadion aber dabei - und die Oma, mit 90 Jahren, vor dem Fernseher zu Hause. "Für die alle ist der Erfolg heute", sagte Tuchel. "Wenn ich nachdenke, dann fange ich an zu weinen. Meine Eltern, die mich auf jeden Fußballplatz geführt haben, meine Frau, die auf jedem Fußballplatz hinter mir gestanden ist und sich gedacht hat 'Mit wem bin ich denn da zusammen?' Sie alle haben mehr an mich geglaubt als ich."
"Sauschwer", wäre das Finale gewesen, mit viel Selbstvertrauen wär City gestartet. Chelsea hat aber zuletzt schon gut gespielt gegen den englischen Meister. Und Tuchel hatte, wie er mit verschmitztem Lächeln meinte, schon eine Ahnung. "Ganz ehrlich, fragen Sie meine Kollegen", sagte er und offenarte dann: "Wir wussten, wir sind der Stein im Schuh von City. Wir wussten: Wenn wir ein Tor erzielen, sind wir im Kopf von City drinnen. Und dann war es eine Abwehrschlacht."
Eine, die erfolgreich über die Zeit gebracht wurde. Und eine, die vor allem auch Pep Guardiola viel Kritik einbringen wird. Denn der Erfolgstrainer baute sein Team um, rotierte den nominellen Sechser aus der Mannschaft. Das brachte nicht den gewünschten Erfolg. "Er mag an Erfolgen erfolgreich sein. Aber er sollte aus Fehlern lernen und nicht immer in wichtigen Spielen Dinge probieren, die er vorher noch nie spielen ließ", schimpfte etwa Lothar Matthäus auf Sky.
Chelsea war das alles egal. Und der Deutsche Verteidiger Antonio Rüdiger wusste, ganz heiser, auch den grund für den Triumph, er wusste, was den Unterschied ausgemacht hat: "Wir haben gelitten. Wir waren bereit zu leiden. Und da war diese eine Chance - und die haben wir genützt." Auch für den Verteidiger ("Ich habe nie geglaubt, dass ich einmal so weit komme") gab es einen Zusatz: Die Fans im Stadion:
"Durch sie ist alles anders. Vom Warmmachen an. Danke an alle Fans." Und neben den Fans lobte er natürlich seinen Trainer Tuchel: "Der Trainer hat einen sehr großen Anteil. Ich war am Boden, aber ich habe gesagt, dass man Menschen, die auf dem Boden liegen, nicht unterschätzen darf. Danke, Trainer! Danke, Mannschaft."