Gleich drei Defensivspieler stehen im Halbfinale der Champions League, deren fußballerischer Werdegang über die französische Hafenstadt Le Havre geführt hat. Allesamt haben sie senegalesische Wurzeln, alle sind sie in Frankreich geboren. Zu allem Überdruss haben sie auch noch denselben Nachnamen. "Mon dieu!", könnte man jetzt meinen. Die richtige Antwort lautet aber Mendy.
Benjamin (Manchester City), Edouard (Chelsea) und Ferland (Real Madrid) sorgen dafür, dass sich am Ende dieser Spielzeit ein Mendy mit 75 prozentiger Wahrscheinlichkeit Königsklassen-Sieger nennen darf. So ähnlich deren Werdegänge im ersten Moment scheinen, so unterschiedlich sind sie. Torwart Edouard war der Erste, der in der Normandie zugegen war, spielte in der Jugend für diverse Klubs in Le Havre. 2014 wurde sein Vertrag bei Viertligist Cherbourg nicht mehr verlängert. Als vertragsloser 23-Jähriger war nicht vorauszusehen, dass er wenige Jahre später den teuersten Torwart der Welt bei einem der besten Klubs der Welt verdrängen würde.
Der Aussortierte, der Kepa verdrängte
Nach einem Jahr ohne Spielpraxis nahm Olympique Marseille den heute zehnfachen senegalesischen Nationalteamspieler für die B-Mannschaft unter Vertrag. 2016 gelang ihm der Sprung in die zweite Liga, als Stammtorhüter und mit nur 19 Gegentoren in 38 Spielen feierte er mit Stade Reims 2018 den Aufstieg. Nach 14 Partien ohne Gegentreffer schlug Liga-Konkurrent Rennes zu, im September 2020 blätterte FC Chelsea 24 Millionen Euro für Edouard hin. Kepa Arrizabalaga muss sich seither hintanstellen, in neun Champions-League-Spielen hielt Mendy siebenmal die Null.
In seiner Zeit bei Reims traf Edouard auch dreimal auf seinen Cousin Ferland. Heute ist der Linksverteidiger aus der Stammelf Real Madrids nicht mehr wegzudenken. Auch das hat sich nicht abgezeichnet. Mit 14 Jahren wurde Ferland Arthritis in der Hüfte diagnostiziert. Ein abruptes Ende des PSG-Nachwuchskickers bahnte sich an. Sieben Monate verbrachte Ferland im Krankenhaus, vier davon im Rollstuhl. Sogar eine Beinamputation wurde diskutiert.
Vom Rollstuhl zu den "Königlichen"
Doch Mendy, der mit nur elf Jahren seinen Vater verloren hatte, lernte, wieder zu laufen. Weil bei Paris aber kein Fortschritt in Sicht war, ging der damals 17-Jährige zum Viertligisten Mantois. Ein Jahr später verpflichtete ihn Le Havre, mit 20 Jahren gab er sein Debüt in der Ligue 2. Über Lyon gelang dem heute 25-Jährigen der Schritt zu Real, dort hat er Marcelo aus der Startelf gespielt und ist mittlerweile siebenfacher französischer Teamspieler.
Der Dritte im Bunde, Benjamin, ist einen gänzlich anderen Weg gegangen, und zwar jenen eines typischen Fußballprofis. Wie auch Ferland ist Benjamin Linksverteidiger, steht aber im Gegensatz zu Edouard in keinem Verwandtschaftsverhältnis zu ihm. Der 26-Jährige durchlief sämtliche Jugendauswahlen der Equipe Tricolore. 2013 verließ er Le Havre in Richtung Marseille, nach einem Intermezzo bei Monaco spielt der zehnfache Nationalteamspieler seit 2017 bei Manchester City. Er ist der an Titeln mit Abstand beschlagenste Mendy, gewann zweimal die englische und einmal die französische Meisterschaft und darf sich nach 40 Minuten im bedeutungslosen Gruppenspiel gegen Dänemark seit 2018 Weltmeister nennen.
Der französische Nicht-Super-League-Klub PSG ist somit der einzige Verein im Semifinale, der keinen Mendy im Kader hat. Glaubt man den Berichten der britischen Boulevardzeitung "Sun", dürften die Verantwortlichen aber ein Auge auf Benjamin geworfen haben, der bei City nur als Ergänzungsspieler zum Zug kommt. Bei der heutigen Begegnung zwischen Real und Chelsea (21 Uhr) wird es aber wohl zu keinem "Mendy-Clash" kommen. Ferland ist seit einigen Tagen mit Unterschenkelproblemen außer Gefecht. Real ist im Europacup gegen Chelsea in drei Spielen noch ohne Sieg.