Die Pläne von zwölf europäischen Fußball-Topclubs für eine Super League sind zumindest fürs Erste krachend gescheitert. Trotz des Rückzugs der sechs involvierten englischen Vereine wollen die Initiatoren ihr umstrittenes Milliarden-Projekt aber offenbar in anderer Form durchziehen. "Wir schlagen einen neuen europäischen Wettbewerb vor, weil das bestehende System nicht funktioniert", hieß es in einem am Mittwoch verbreiteten Statement.
"Angesichts der aktuellen Umstände werden wir die am besten geeigneten Schritte zur Neugestaltung des Projekts überdenken und dabei stets unser Ziel im Sinn haben, den Fans die bestmögliche Erfahrung zu ermöglichen und dabei die Solidaritätszahlungen für die gesamte Fußballgemeinschaft zu erhöhen", betonten die Organisatoren in ihrer Stellungnahme. Die Super League sei davon "überzeugt, dass sich der aktuelle Status quo des europäischen Fußballs ändern muss".
Die Klubs der Premier League erklären ihren Rückzieher!
Zuvor hatten sich die Reihen der Rebellen gelichtet. Als erster der Initiatoren hatte Manchester City am Dienstagabend seine Teilnahme wieder abgesagt. Dem folgten die anderen fünf englischen Mitgründer Liverpool, Manchester United, Arsenal, Tottenham Hotspur und schließlich Chelsea. In Spanien soll laut Medienberichten Atletico Madrid diesen Schritt gehen wollen. FC-Barcelona-Präsident Joan Laporta will die Mitglieder über die Pläne abstimmen lassen.
In Italien steht Inter Mailand unmittelbar vor dem Absprung, hat diesen mittlerweile auch öffentlich gemacht. Und auch Atletico Madrid möchte mit der Super League nichts mehr zu tun haben. Für den Verein sei die "Eintracht zwischen allen Angehörigen der rot-weißen Familie das Wichtigste", betonte Atletico in einer Stellungnahme. Es gehe vor allem aber um die Wünsche der Fans. Die Spieler und der Trainerstab um Chefcoach Diego Simeone seien mit der Entscheidung zufrieden, hieß es. Sie seien der Überzeugung, dass "die sportlichen Verdienste Vorrang vor allen anderen Kriterien haben müssen".
Ähnlich äußerte sich Inter. Man wolle den Fans stets das beste Fußballerlebnis bieten, hieß es in einem Statement des Clubs. Inter sei allerdings der Ansicht, dass der Fußball ein Interesse daran haben müsse, seine Wettbewerbe ständig zu verbessern, um Fans aller Altersgruppen auf der ganzen Welt in diesem Rahmen zu begeistern. Auch Inters Stadtrivale AC Milan gilt als Wackelkandidat. Die größten Treiber des Projektes scheinen damit nur noch Real Madrid und Juventus Turin zu sein. Real-Präsident Florentino Perez sollte auch Vorstandsvorsitzender der neuen Liga werden, Juves Andrea Agnelli einer von dessen Stellvertretern.
Kommentar: Das Ende der Super League ist ein Sieg für den Fußball, aber . . .
Agnelli bestätigte, dass das Projekt fortgesetzt wird. "Es gibt eine Blutsbrüderschaft zwischen unseren Clubs", sagte der Juventus-Präsident der italienischen Zeitung "La Repubblica" (Mittwoch-Ausgabe). Die Super League habe eine 100-prozentige Erfolgschance. "Fahren wir fort." Der Fiat-Manager will nach dem Ausstieg zahlreicher Partner aber in einen Dialog mit den Fußballinstitutionen FIFA und UEFA treten. "Wenn sie uns einen Vorschlag machen, werden wir ihn bewerten."
UEFA-Präsident Aleksander Ceferin begrüßte den Rückzug der englischen Vereine und hofft auf eine dauerhafte Kooperation mit den Fußball-Spitzenclubs. "Ich habe gestern gesagt, dass es bewundernswert ist, einen Fehler zuzugeben, und diese Vereine haben einen großen Fehler gemacht", sagte der Slowene. "Aber sie sind jetzt wieder auf Kurs, und ich weiß, dass sie nicht nur unseren Wettbewerben, sondern dem gesamten europäischen Spiel viel zu bieten haben", betonte der 53-Jährige.
Ceferin will offenbar von unmittelbaren Konsequenzen für die einsichtigen Abtrünnigen absehen. "Das Wichtigste ist jetzt, dass wir weitermachen, die Einheit, die das Spiel zuvor genossen hat, wieder aufbauen und gemeinsam vorankommen", sagte der UEFA-Boss. Als Drohkulisse hatte er zuvor selbst einen Ausschluss aus der noch laufenden Europacup-Saison sowie eine EM- und WM-Sperre für alle Profis der Clubs ins Spiel gebracht.
Die UEFA hatte ihrerseits am Montag eine Reform der Champions League ab 2024 beschlossen. Demnach wird die bestehende Königsklasse von 32 auf 36 Clubs aufgestockt und die erste Phase nicht in Gruppen aufgeteilt, sondern in einem Ligaformat bestritten. Zwei der vier zusätzlichen Startplätze werden nicht über aktuelle Leistungen, sondern über die UEFA-Fünfjahreswertung vergeben. Diese Sicherheit scheint den ganz großen Clubs aber zu wenig.
Agnelli, der bei Juve aufgrund des kapitalen Fehlstarts der Super League selbst bereits vor dem Aus stehen soll, will laut eigenen Angaben damit fortfahren, den "schönsten Wettbewerb der Welt zu schaffen". Dieser würde der gesamten Fußballpyramide Vorteile bringen. "Die Verteilung der Ressourcen an andere Vereine wird erhöht und er bleibt offen." Fünf der 20 Startplätze der Super League sollten planmäßig jährlich im Dialog mit den Fußballverbänden neu vergeben werden.
Mit Blick auf die Fans argumentierte der 45-Jährige, dass die Anziehungskraft des Fußballs derzeit eine Krise bei den jungen Generationen durchlebe. "Die Jüngsten wollen die großen Events sehen und sind weniger mit den Elementen des Lokalpatriotismus verbunden, die die vorangegangenen Generationen - inklusive meiner - geprägt haben", sagte Agnelli.
Premier-League-Klubs entschuldigen sich
Dennoch wandten sich die englischen Clubs am Dienstagabend - keine 48 Stunden nach Veröffentlichung der Pläne - auf Druck ihrer Fans und auch der britischen Regierung von der Super League ab. "Wir haben einen Fehler gemacht und wir entschuldigen uns dafür", hieß es auf dem Twitter-Account von Arsenal. Chelsea ergänzte, dass man zu dem Schluss gekommen sei, dass die Pläne "nicht im besten Interesse des Clubs, unserer Fans und der breiteren Fußballgemeinschaft sind."
Liverpools US-amerikanischer Haupteigentümer John Henry nahm die Schuld für das Tohuwabohu auf seine Kappe und entschuldigte sich bei den Fans und Trainer Jürgen Klopp. "Es tut mir leid, ich alleine bin für die unnötige Negativität, die in den vergangenen Tagen aufgekommen ist, verantwortlich", sagte der Chef der Fenway Sports Group in einem Video auf der Club-Website. "Das ist etwas, das ich nicht vergessen werde. Und es zeigt die Kraft, die die Fans heute haben und zurecht weiterhin haben werden."