Am Tag vor dem Beginn des Finalturniers der Champions League hat der deutsche Rekordmeister FC Bayern an der Algarve hinter verschlossenen Toren trainiert. Coach Hansi Flick duldete bei "einer taktischen Einheit" vor dem Viertelfinal-Kracher gegen den FC Barcelona am Freitagabend (21.00 Uhr/live Sky) im Lissaboner Finalstadion keine externen Beobachter.
Trotz der Abschottung am Dienstag ist freilich bekannt, dass der Bayern-Trainer beim Hammerstart ins "Final-8-Turnier" auf eine Triple-Achse von 2013 setzt. Ein Quartett, das nicht nur weiß, wie man Europas Königsklasse gewinnt, sondern auch, wie man "Barca" dominieren kann.
"Die jungen Spieler sind extrem hungrig - und auch die Alten wollen es noch mal wissen", sagte Thomas Müller. 23 Jahre jung war dieser Müller, als die Bayern auf dem Weg zum Titelgewinn 2013 Barcelona im Halbfinale im Gesamtergebnis mit 7:0 demontierten. Beim 4:0 in München traf Müller doppelt, beim Rückspiel in Spanien gelang ihm der Treffer zum 3:0-Endstand.
Neben Müller (heute 30) waren damals auch Manuel Neuer (34), Jerome Boateng (31), Javi Martinez (31) und ÖFB-Star David Alaba (28) dabei. Auch danach im Finale gegen Borussia Dortmund (2:1) setzte Triple-Coach Jupp Heynckes das Quintett über 90 Minuten ein.
Bis auf den alten spanischen Kämpfer Martinez, der damals mit Bastian Schweinsteiger einen unüberwindlichen Wall im defensiven Mittelfeld bildete, spielen Tormann Neuer, das Innenverteidiger-Duo Boateng und Alaba sowie Angreifer Müller auch in Flicks Barca-Plan der Gegenwart Hauptrollen. Der 55-jährige Coach vertraut auf eine Mischung aus Triple-Erfahrung und hungrigen jungen Kräften wie Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Serge Gnabry sowie dem blutjungen Alphonso Davies.
Der linke Verteidiger steht vor der größten Aufgabe seiner gerade erst gestarteten Profi-Karriere. Der 19-jährige Kanadier soll im Viertelfinale versuchen, Weltfußballer Messi einzubremsen.
Kapitän Neuer spürt schon länger, dass ein Triumphzug wie 2013 drin ist. "Wir haben schon in der Gruppenphase erlebt, wie gut wir international gespielt haben", sagte Schlussmann, mahnte aber: "Jetzt gibt es K.o.-Spiele, das sind immer Finals." Und da könne "jeder Fehler bestraft werden" - und wumms, ist man gegen Barcelona raus.
Neuer muss vorangehen, ebenso Müller - und 2020 auch Alaba. Im Triple-Jahr 2013 ähnelte der Wiener als 21-Jähriger noch dem jungen Davies. Alaba spielte da ebenfalls noch links hinten. Sieben Saisonen später ist er von Flick zum Chef der Abwehr befördert worden. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ernannte Alaba, der mit den Münchner Bossen weiter um einen neuen Millionen-Vertrag pokert, jüngst zum "Häuptling", der das Team spielstark von hinten führe, den Ton angebe, quasi als Kopie der Bayern-Legende Franz Beckenbauer. "Er ist der erste Spieler, der wieder auf diesem Niveau wie der Franz damals gespielt hat", schwärmte Rummenigge.
Während sich am Nummer-1-Status des heutigen Kapitäns Neuer, den gegen Barcelona auch ein brisantes Privatduell mit seinem starken DFB-Torwart-Konkurrenten Marc-Andre ter Stegen erwartet, in all den Jahren nichts geändert hat, zählt es zu den besonderen Verdiensten von Flick, die beiden 2014-Weltmeister Müller und Boateng wieder zu echten Stützen des Bayern-Jahrgangs 2020 entwickelt zu haben.
Müller war in der Anfangsphase dieser superlangen Corona-Saison ja nur noch ein Notnagel unter Ex-Coach Niko Kovac. Flick änderte das sofort mit der Übernahme des Cheftrainerpostens. Vor dem Start ins Finalturnier sagte er nun: "Thomas hat eine enorme Erfahrung, auch gerade bei solchen Spielen. Darum ist er für die Mannschaft ein wichtiger Faktor." Auch wenn für das Toreschießen gegen "Barca" diesmal in erster Linie Robert Lewandowski zuständig sein könnte.
Auch an der Algarve sind Müllers Kommentare und Kommandos eine ständige Begleitmusik auf dem Platz. Flick freut zudem, dass Boateng nach seiner verletzungsbedingten Auswechslung beim 4:1 gegen Chelsea wieder trainieren kann. Der Abwehrrecke will sein bemerkenswertes Comeback als Bayern-Stammkraft krönen. "Ich habe mich in der Saison gesteigert, gerade nach der Winterpause bin ich zufrieden." Boateng weiß, was ab Freitag in Lissabon gefragt ist: "Die Champions League ist ein großer Wettbewerb, da kommt es auf die Tagesform an."