Salzburg ist Mozart und die Ewigkeit wird nicht ausreichen, um dieses Axiom, also eine keines Beweises bedürftige gültige Wahrheit, zu widerlegen. Aber es gibt Tage, an denen sogar der Grökompaz (größter Komponist aller Zeiten) einen Halbtonschritt zurückweichen muss. Der 10. Dezember 2019 ist so ein ominöses Datum, denn da gibt in der Musikmetropole ausnahmsweise der Fußball den Ton an.
Nun ja, das gilt zumindest für ausgewählte Schauplätze. Die Pubs, die an gewöhnlichen Werktagen erst nachmittags ihre Pforten öffnen, sind schon seit 11 Uhr empfangsbereit, denn nicht irgendwer ist zu Gast beim FC Salzburg, sondern der FC Liverpool. Und dessen Fans wollen standesgemäß versorgt werden. Schon zur Mittagszeit quillt das "Shamrock" am Rudolfskai fast über.
Offizielles UEFA-Bier
Das - eigentlich irische - Guiness fließt in Strömen, parallel zu jenem Bier, das die Champions League offiziell hopfen-und-malzmäßig versorgt. Dies ist keine Auflage der UEFA, sondern eine freiwillige Aktion des Wirtes, der dies an Spieltagen der Königsklasse schon zur Tradition erhoben hat. "Es ist ja ein gutes Bier, und den Engländern schmeckt´s", sagt Christian, der Barchef. Hundert 50-Liter-Fässer wurden extra geordert. Die Kehlen der Gäste schlucken alles.
Das gilt natürlich nicht, wenn es um ihren Klub geht, wiewohl auch eine gewisse Skepsis herauszuhören ist. Ian, ein Fan aus einem kleinen Ort, 100 Meilen südlich von Liverpool gelegen, lässt sich auf ein prognostisches 3:2 ein, natürlich für die "Reds", das reicht. Er hat das Hinspiel in Anfield live erlebt. "Salzburg war sehr stark." John ist noch eine Spur optimistischer. "Haaland schießt das erste Tor, aber wir gewinnen 3:1", sagt der Mittfünfziger, jahrzehntelanger treuer Anhänger.
Auch der Christkindlmarkt am Residenzplatz beherbergt an diesem Tag ungewohntes Publikum, versehen mit roten Fanschals. Das Aufgebot der Sicherheitskräfte wurde verdoppelt, aber das wäre in auch an diesem Tag friedlichen Vorweihnachtstunden gar nicht nötig gewesen. Joe, Danny und Brian, waschechte Liverpooler, akzeptieren die Spielstärke des österreichischen Meisters. "Wir waren beim Hinspiel dabei, der Ausgleich nach dem 0:3 war ein echter Schock", erzählen sie aus ihrer damaligen Gefühlswelt. "Wir tippen auf ein 2:2." Auch das genügt. Aber der Respekt ist unüberhörbar.
Umsatzsteigerung in der rauchfreien Zone
Inzwischen haben die Pubs, neben dem "Shamrock" auch das "Dubliner´s", das die österreichischen Liverpool-Fans, die Angehörigen der sogenannten "Travellin´Kops" zu ihrem Hauptquartier erheben, ihre Belastungsgrenze erreicht, und die Gastgeber freut´s. Aber auch ganz ohne Fußball ist das Geschäft ein Volltreffer, weil die sonst schwadengetränkten Lokale mittlerweile auch in Österreich zu rauchfreien Zonen erklärt wurden. "Der Umsatz ist stark gestiegen", sagen die Wirte unisono. Menschen, die sich zuvor der Tschicks wegen in Lokal-Verzicht übten, könnten nun ungestört konsumieren. Die Engländer sind damit ohnehin schon seit vielen Jahren vertraut.
In der Getreidegasse nehmen derweil die Dinge wie gewohnt ihren Lauf. Vor Mozarts Geburtshaus wird Touristengruppen aus Kanada und den USA das Leben des bekanntesten Österreichers erläutert. Sie haben keine Ahnung vom größten Spiel des Jahres. Aber das spielt keine Rolle.