Nur rund 200 Kilometer von Klagenfurt entfernt spielt Dinamo Zagreb am Mittwoch in der Champions League zu Hause gegen Schachtar Donezk. Wie beziffern Sie die Chancen, ins Achtelfinale einzuziehen?
NENAD BJELICA: Sie sind auf alle Fälle da. Wir sind aktuell hinter Manchester City Zweiter in der Gruppe C. Donezk hat mehr Budget, mehr Erfahrung in der Königsklasse. Es wird schwer. Mit einem Heimsieg können wir aber einen großen Schritt in diese Richtung machen.
Für Zagreb wäre es das zweite Mal in Folge, auf europäischer Ebene zu überwintern, was es 49 Jahre lang nicht gegeben hat.
Genau. Im Vorjahr haben wir einen Fluch besiegt, stiegen in der Europa League als ungeschlagener Gruppensieger auf und scheiterten erst im Achtelfinale an Benfica Lissabon. Nur um die Dimensionen richtig einzuordnen: Dinamo ist der größte Klub in Osteuropa – da schließe ich Österreich mit ein –, spielte in den vergangenen 15 Jahren zehn, elf Mal in diversen Gruppenphasen, kam aber nie weiter. Nun haben wir es geschafft.
Sie sind seit 16 Monaten Trainer bei Dinamo, sorgten in dieser kurzen Zeit bereits für weitere historische Marken.
Der Meistertitel ist Pflicht, weniger wird nicht akzeptiert. Vergangene Saison holten wir den Titel mit 25 Punkten Vorsprung. In die Champions League starteten wir mit einem 4:0 gegen Atalanta Bergamo, dem höchsten Champions-League-Sieg Dinamos aller Zeiten. Davor hat es bei vier Teilnahmen nur zu vier Punkten gereicht.
Wird Ihnen bei Dinamo schon ein Denkmal gebaut?
Nein, nein. Das größte „Denkmal“ ist die Atmosphäre, die wir in Zagreb aufgebaut haben. In der Vergangenheit war die Stimmung gegenüber Dinamo ziemlich negativ. Teils wird der Klub regelrecht gehasst, weil man in der Meisterschaft dominant auftritt. Und auch, weil die eine oder andere Schiri-Entscheidung zugunsten von Dinamo ausgefallen ist. Nun ist es so, dass etwa die 30.000 Karten für das Atalanta-Spiel binnen zwei Wochen verkauft waren.
Diese 30.000 Fans müssen aber auf Stadion-Komfort verzichten?
Die Infrastruktur ist eine Katastrophe. Hier hinkt Kroatien stark hinterher. Polen zum Beispiel ist 20 Jahre weiter. Dort gibt es zehn Stadien mit Plätzen für mindestens 30.000 Besucher, in Kroatien kein einziges mit Überdachung. Dinamo wäre sogar bereit, ein eigenes Stadion zu bauen. Es hängt aber an politischen Entscheidungen, an Grundstücken, die im Eigentum der Stadt stehen. Es wurde schon so viel versprochen, aber nicht viel gehalten. Die momentanen sportlichen Erfolge könnten ein Turbo sein, dass endlich was passiert. Ein Heimsieg gegen Donezk könnte sicher weiterhelfen.
Wie wichtig sind die Erfolge auf internationaler Ebene?
Essenziell. Dinamo budgetiert mit 35 Millionen Euro, wovon zu Saisonbeginn nur rund zehn Prozent ausfinanziert sind. Erfolge in der Champions League spülen großes und wichtiges Geld in die Kasse. So haben wir Stabilität und können in Ruhe weiterarbeiten.
Einen weiteren Teil des Budgets finanziert der Klub auch mit Spielerverkäufen, oder?
Vollkommen richtig. Dinamo ist gezwungen, jedes Jahr seine zwei, drei besten Spieler zu verkaufen. 2016 ging Marko Pjaca um 23 Millionen Euro zu Juventus, 2017 Marko Rog um 13,5 zu Neapel. 2018 beliefen sich die Transfereinnahmen sogar auf 30 Millionen. Spieler zu entwickeln und weiterzuverkaufen, ist ein Prozess, der bei Dinamo sehr gut aufgebaut ist. Das schafft wieder Platz für weitere junge Talente.
Wie für den Spanier Dani Olmo, der als 16-Jähriger von Barcelona nach Zagreb gewechselt ist?
Dani kam 2014 hierher, entwickelte sich sensationell. Mittlerweile ist er Kapitän der spanischen U21, der Schritt in die Einser-Nationalmannschaft ist vorgezeichnet. Dani wird Dinamo mindestens 30 Millionen Euro bringen und damit zum Rekordtransfer der Vereinsgeschichte werden. Ich hatte selten einen Spieler, der so bodenständig ist wie Olmo. Und ich habe schon mit vielen Spielern gearbeitet.
Was Ihre Statistik belegt. Im Oktober standen Sie zum bereits 450. Mal als Trainer an der Linie. Zeit für eine kurze Zwischenbilanz?
Gerne. Ich habe mit zwei Außenseitern – Austria Wien und Dinamo Zagreb – den Sprung in die Champions League geschafft, habe von meinen mittlerweile 25 Spielen in Europa nur vier verloren. Dass man meine Arbeit schätzt, macht mich schon stolz. So wurde ich vom FC Barcelona eingeladen, kommende Woche einen Vortrag unter Trainerkollegen abzuhalten. Thema: „Wie kann man Spieler besser weiterentwickeln?“
Hilfreich ist auch, wenn man die richtige Sprache spricht?
Ja. Gute Kommunikation ist das Wichtigste für mich. Ich spreche mittlerweile sechs Sprachen: Kroatisch, Deutsch, Englisch, Italienisch, Spanisch und Polnisch. Derzeit lerne ich Französisch.
Aus einem bestimmten Grund? Gibt es Angebote aus der Ligue 1?
Nein. Man muss im Leben aber immer vorbereitet sein. Ich fühle mich sehr wohl in Zagreb. Meine Arbeit hier ist noch nicht getan. Es ist aber schon mein Ziel, irgendwann in einer der großen europäischen Ligen zu arbeiten ....
... und dabei hoffentlich immer an Ihre Zeit in Kärnten und beim WAC zurückzudenken?
Natürlich. Wir sind binnen drei Saisonen von der Regionalliga in die Bundesliga durchmarschiert. Ich bin mit Dietmar und Waltraud Riegler noch immer in Kontakt. Sie geben einem Trainer viele Freiheiten und sind der Garant dafür, dass der WAC trotz der aktuellen Erfolge bodenständig bleibt. Ich habe das Spiel in der Europa League gegen Roma gesehen. Ich bin begeistert von der Art, wie sich die Mannschaft sportlich weiterentwickelt hat.
Sind Sie noch mit Kärnten verbunden?
Selbstverständlich. Wir haben unseren Lebensmittelpunkt in Klagenfurt. Wenn es die Zeit zulässt, fahre ich die rund zwei Stunden von Zagreb heim zu meiner Familie. Sie ist mir sehr wichtig. Ohne sie funktionier ich nicht.