Das lange Warten hat sich gelohnt: Red Bull Salzburg setzte bei der Premiere in der Fußball-Champions-League gleich eine echte Duftmarke. Auch wenn Österreichs Serienmeister zuletzt die heimische Liga nach Belieben dominierte, hätte wohl keiner mit einem 6:2-Kantersieg gegen KRC Genk am gerechnet. "Es war ein geiler Abend", brachte es Salzburg-Kapitän Andreas Ulmer treffend auf den Punkt.
Den genossen alle Beteiligten in vollen Zügen. "Dieser wunderschöne Abend geht in die Historie ein. Das Spiel war außergewöhnlich", befand Sportdirektor Christoph Freund. Bei Coach Jesse Marsch hörte sich das ähnlich an. "Es war überragend, ein großartiger Abend für den Verein und die Fans", meinte der US-Amerikaner. Das war es auch für den lange Jahre bei Bremen tätig gewesenen Zlatko Junuzovic. "Ich habe schon einiges erlebt, aber dieser Abend steht ganz weit vorne. Das war Gänsehaut pur", meinte der 31-Jährige.
Die Entschädigung
Nach zuvor elf gescheiterten Anläufen auf die "Königsklasse" erzielten die "Bullen" just im ersten Gruppenspiel fünf Tore in der ersten Halbzeit. Ein Kunststück, das überhaupt erst sieben Teams zuwege gebracht haben. Der schnelle Führungstreffer von Topstürmer Erling Haaland spielte der Marsch-Truppe auf dem Weg dahin natürlich in die Karten. "Nach den vielen Versuchen, in die Champions League zu kommen, hat uns dieser Abend dafür entschädigt. Das Spiel war ein Spektakel", schilderte Abwehrspieler Andre Ramalho.
Dass sich sein Team auch neuerlich Schnitzer in der Hintermannschaft erlaubte, die zu den Gegentreffern von Jhon Lucumi (40.) und Ally Mbwana Samatta (52.) führten, war zu verschmerzen. Die Offensive rund um Dreifach-Torschütze Haaland (2., 34., 45.) und Hwang Hee-chan (36.) überstrahlte alles. Die Hausherren hatten viele Balleroberungen, das schnelle Umschaltspiel funktionierte nach Wunsch und führte zu mehreren Treffern. "Es ist unglaublich, welche Energie in der Mannschaft steckt", war Freund begeistert. Herausheben wollte er niemand. "Es hätten sich viele Spieler verdient, 'Man of the match' zu sein", so der 42-Jährige.
Die auch in der belgischen Liga schwächelnden Genker deuteten in der ersten Hälfte einige Male ihre Klasse an. Das war insgesamt viel zu wenig. "Bei 3:1 gab es einen Moment, wo die Mannschaft zweifeln hätte können. Aber sie hat dann in den nächsten Minuten die richtige Antwort darauf gegeben und das ist einfach die Mentalität dieser Mannschaft, das Selbstvertrauen, das sie hat", meinte Marsch. Auch Dominik Szoboszlai (45.+2) und Routinier Ulmer (66.) durften beim Debüt über ihren CL-Premierentreffer jubeln.
Irrsinnige Freude
"Es war ähnlich wie in der Liga, wenn wir 1:0 in Führung gehen, dann haben die Verrückten da vorne richtig Hunger und lassen in keiner Sekunde des Spiels locker", lobte Innenverteidiger Maximilian Wöber die Offensivspieler. Der 21-Jährige blieb nach vier Einsätzen für Ajax Amsterdam auch in seinem fünften CL-Spiel unbesiegt und freute sich über seinen zweiten Sieg. "In uns ist eine irrsinnige Freude und Erleichterung. Dass wir so drüberfahren, hätte sicher keiner gedacht", verlautete der im Sommer vom FC Sevilla gekommene Abwehrspieler. Für den Bundesliga-Serienmeister ging in der Offensive fast alles auf. "Wir trainieren auch ungeheuer hart und haben alles auf den Platz gebracht", betonte Wöber.
Die fast 30.000 Zuschauer im ausverkauften Stadion in Wals-Siezenheim waren begeistert. "Ein Erfolgsrezept war auch, dass wir die Fans von Anfang an mitnehmen konnten", meinte Ulmer. Die Red Bull Arena bleibt eine scheinbar uneinnehmbare Festung. Zum bereits 69. Mal in Folge gab es für Salzburg in Pflichtspielen zu Hause keine Niederlage, im Europacup ist die Serie mit 19 Spielen ebenfalls imposant.
Coach Marsch scheint ohne Probleme in den großen Fußstapfen des zu Mönchengladbach abgewanderten Marco Rose gehen zu können. Seine ersten zehn Bewerbsspiele als Salzburg-Trainer endeten alle mit einem Sieg. Am Plafond sieht der 45-Jährige sein Team aber noch nicht. "Die Mannschaft hat unheimliches Potenzial und kann noch besser spielen", war sich Marsch sicher. Das sei auch nötig, um auf dem Niveau der beiden anderen Gruppengegner Liverpool und Napoli bestehen zu können.
Spielstil treu bleiben
Am 2. Oktober wartet auf Ulmer und Co. mit dem Gastspiel an der Anfield Road das absolute Highlight im Jahr 2019. Die "Reds" dürfen sich nach dem Auftakt-0:2 in Italien keine Blöße geben. "Liverpool ist sicher eine andere Nummer. Heute gab es einige Momente im Spiel wo wir etwas locker waren, das darf dort nicht passieren", war sich Marsch bewusst. Auch auswärts beim Titelverteidiger wollen die Salzburger ihrem Spielstil treu bleiben. "Der Flow geht weiter. Wenn du so drinnen bist, kann man ganz einfach auch nicht anders spielen", erläuterte Junuzovic.
Wichtig wird es jetzt sein, dass die laut Freund weiter in der Außenseiterrolle befindlichen Salzburger nicht abheben. "Wir wissen, was wir draufhaben und können, aber trotz des 6:2 müssen wir mit beiden Beinen am Boden bleiben. Uns ist bewusst, dass Liverpool eine der besten Mannschaften der Welt ist", sagte Wöber. Zuvor warten auch national noch spannende Tage. Am Sonntag geht es in der Liga auswärts gegen Verfolger LASK, am 25. September in der 2. ÖFB-Cup-Runde in Wien gegen Rapid. Bei der Liverpool-Generalprobe ist die schwächelnde Wiener Austria am 28. September in Salzburg zu Gast.