Es wirkte wie ein sehr fragiles Konstrukt, dieses Weiße Ballett, das zum Champions-League-Finale 2024 im Londoner Wembley-Stadion gegen Borussia Dortmund angetreten war. Vielleicht waren die aktuellen Spieler des Rekordsiegers noch zu aufgewühlt von den Gesangseinlagen des Rockstars Lenny Kravitz vor dem Anpfiff. Möglicherweise aber ließen sie sich auch von den drei Flitzern in den Anfangsminuten etwas irritieren. An sich sind Fußballer von Real Madrid aber nicht so leicht aus dem Konzept zu bringen. Noch nie hatte dieses Team ein Endspiel der Champions League verloren und sie fielen auch nicht auseinander, als der Fünfte der abgelaufenen deutschen Bundesliga-Saison einige Großchancen vorfand, diese aber auch samt und sonders liegenließ.
Ein Spiel gegen Real wirkt immer wieder so, als wüssten die Spieler, es würde alles abprallen wie an einer vom unablässig kauenden Trainer Carlo Ancelotti aufgestellten Gummiwand. Dem Italiener wäre der Mund unter Umständen offen geblieben, hätte Karim Adeyemi eine seiner Top-Gelegenheiten verwertet. Nach herrlichem Pass von Mats Hummels legte sich der Ex-Salzburger den Ball zu weit vor, er war ganz alleine, das hätte das 1:0 für die Dortmunder sein müssen. Etwas später scheiterte der Stürmer an Thibaut Courtois, nachdem zuvor Niklas Füllkrug die Stange an der Innenseite getroffen hatte, ein Tor wäre wegen einer möglichen Abseitsstellung hier allerdings einer scharfen Prüfung unterzogen worden.
Real hatte in Hälfte eins wohl mehr vom Ball, aber die Borussia wesentlich mehr vom Spiel. Doch harmlos ist Real nie, dafür verfügen die kickenden Klubmitglieder über viel zu viel Klasse. Das zeigte sich bald nach Wiederbeginn, als Toni Kroos in seinem letzten Match für die „Königlichen“ den Dortmund-Torhüter Gregor Kobel mit einem genau aufs Kreuzeck gezirkelten Freistoß zu einer starken Abwehrreaktion zwang.
Dann bewiesen die Madrilenen, warum es grob fahrlässig ist, eine solche Vielzahl von Chancen nicht zu verwerten. Acht Eckbälle hatten die Dortmunder bis zu diesem Zeitpunkt ergebnislos verstreichen lassen, der fünfte Corner für Real legte die stets latente Gefährlichkeit dieser Mannschaft offen. Carvajal verwertete die Flanke von Kroos zur 1:0-Führung. „Es bedeutet mir unheimlich viel, es hat aber lange gedauert, bis wir heute die bessere Mannschaft waren“, meinte der Deutsche.
Borussia-Trainer Edin Terzic reagierte, brachte mit Sebastien Haller und Donyell Malen frische Offensivkräfte, aber es half alles nichts mehr. Real ließ sich die Kontrolle über das Geschehen nicht mehr entreißen. Der freigespielte Vinicius Junior traf zum 2:0, damit hatte sich das Spiel erledigt.
Die Dortmunder hatten es auf dem Fuß, den Favoriten in die Schranken zu weisen, es scheiterte an der Umsetzung. „Ich glaube, wir haben ein sehr gutes Spiel gezeigt, wir dürfen nur den Glauben nicht verlieren“, meinte Terzic. Hummels zeigte sich „stolz auf die Mannschaft“, bedauerte, dass die Chancen ungenützt blieben. Real gewann die Trophäe, Meistercup inklusive, zum 15. Mal und bleibt in Finalspielen der Champions League ungeschlagen. „Respekt für Dortmund, sie haben uns viele Probleme bereitet, aber wir wissen, wie wir leiden müssen“, erklärte Reals Antonio Rüdiger.