MARCEL SABITZER:
Auch wenn David Alaba die rot-weiß-rote Fußball-Nation verwöhnt hat, ist es nach wie vor eine Rarität, wenn ein Österreicher im Champions-League-Finale tatsächlich auf dem Platz und nicht „nur“ im Kader steht. Konkret wäre Marcel Sabitzer bei einem Einsatz gegen Real nach seinem Nationalteam-Kumpel erst der zweite aktive ÖFB-Vertreter im Endspiel seit der Neugründung des Wettbewerbs 1992. Alabas Kreuzbandverletzung verhindert ein historisches Österreicher-Duell auf dem Feld. Ein ÖFB-Kicker wird jedoch definitiv als Gewinner der Königsklasse 2024 in die Annalen eingehen. Entweder Alaba zum vierten Mal (bisher zwei Mal mit dem FC Bayern und ein Mal mit Real) oder eben Sabitzer mit Borussia Dortmund.
„Wenn ich die Champions League mit Dortmund gewinne, wäre mein Fußballerleben sehr erfüllt“, erklärt Sabitzer und verspricht, dass man bei Außenseiter BVB alles daransetzen werde, um den Favorit aus Madrid die erste Niederlage in einem Europacup-Endspiel seit 1983 zuzufügen: „Wir wollen das schaffen.“
Alleine die Teilnahme am Champions-League-Finale ist der vorläufige Höhepunkt einer Karriere, die dem Steirer im wahrsten Sinne in die Wiege gelegt worden ist. Vater Herfried Sabitzer avancierte in den 90ern zur Stürmer-Legende in der Bundesliga. Der Papa brachte es auf sechs Länderspiele mit einem Tor – Werte, mit denen er sich nicht zufriedengeben werde, wie der Junior noch als Teenager am Rande seiner ersten Einberufung ins A-Nationalteam zu Protokoll gab. Über die fußballerische Nummer eins im Hause Sabitzer muss man nicht nur wegen der inzwischen 78 Länderspiele (17 Tore) von Marcel längst nicht mehr diskutieren.
Die Überraschung hält sich in Grenzen, schließlich war das Talent des inzwischen 30-Jährigen schon früh offensichtlich. 2007 schoss er die Sporthauptschule Weiz mit zwei Treffern zum österreichischen Schülerligatitel. Mit 17 debütierte er für die Admira in der Bundesliga. Nach einem Zwischenstopp bei Rapid folgten Red-Bull-Jahre in den Filialen Salzburg und Leipzig, ehe mit dem FC Bayern, Manchester United und nun Dortmund Weltvereine folgten. Für eine Ablöse von 19 Millionen Euro übersiedelte Sabitzer im Sommer 2023 zur Borussia, bei der er nach dezentem Beginn mittlerweile zum Taktgeber mutiert ist und seit Wochen in Hochform agiert.
Gewinner der Assist-Wertung?
Auch, weil er das bekommt, was Sabitzer besonders wichtig ist: „Ich kriege richtig viel Vertrauen, dann kann ich auch befreit aufspielen. Es macht mir Riesenspaß, mit der Mannschaft zu performen. Wichtig wäre, wenn ich es am Samstag auch noch einmal umsetzen kann und meinen Teil dazu beitragen kann.“ Dass der BVB überhaupt die Chance auf den zweiten Champions-League-Sieg nach 1997 hat, ist auch eng mit dem Namen Sabitzer verbunden. Speziell seine Viertelfinal-Gala mit einem Tor und zwei Assists beim 4:2 gegen Atletico Madrid bleibt in Erinnerung.
Persönliche Statistiken spielen im Wembley nur eine Nebenrolle, aber Sabitzer könnte sich eine nette Ergänzung für seinen Lebenslauf sichern. Mit bislang fünf Assists führt er diese Wertung in der Champion-League-Saison an – gleichauf mit Real-Stürmer Vinicius Junior und mit einer Vorlage mehr als Jude Bellingham, der ebenfalls zu den weiteren Protagonisten dieses Showdowns zählt.
TONI KROOS:
Die meisten Augen-Paare werden jedoch vermutlich auf den Großmeister des Passspiels gerichtet sein. Wenn man im allerletzten Vereins-Match seiner Karriere die Chance auf den sechsten Champions-League-Titel hat, kann man in dieser Laufbahn nicht ganz so viel falsch gemacht haben. Nach dieser Partie möchte der Weltmeister von 2014 mit Deutschland noch den Triumph bei der Heim-EM folgen lassen. Dann ist Schluss, und der erfolgreiche Podcaster (Einfach mal Luppen) widmet sich anderen Projekten. „Seine Karriere bräuchte gar keinen weiteren Champions League-Titel. Er hat bei Real und im Weltfußball-Geschichte geschrieben“, würdigt Trainer Carlo Ancelotti. Wie man sich als Legende auf ein CL-Finale vorbereitet? Kroos besuchte am Mittwoch vor der Abreise nach London noch das Madrid-Konzert von Pop-Superstar Taylor Swift.
MARCO REUS:
Im Schatten von Landsmann Kroos endet im Wembley die BVB-Karriere von Marco Reus. Der seit gestern 35-Jährige zählt zu den größten Klub-Ikonen, konnte in seinen zwölf Jahren im Verein bislang jedoch lediglich in Form zweier Siege im DFB-Pokal Edelmetall einsammeln. Der Henkelpott wäre kein schlechtes Trostpflaster für so manches Pech. „Wir müssen daran glauben und wir werden daran glauben“, verspricht der Publikumsliebling.
JUDE BELLINGHAM:
„Einmal Borusse, immer Borusse!“, verkündete Jude Bellingham im Sommer 2023 bei seinem emotionalen Abschied aus Dortmund. Das Wiedersehen mit dem Ex-Klub findet auf der denkbar größten Bühne des Vereins-Fußballs statt – und das auch noch in seinem Heimatland: „Es ist verrückt. Es ist mein erstes Finale, es ist in England, es ist gegen Borussia Dortmund. Es wird schön, ein paar alte Freunde zu sehen.“ Der Mittelfeldspieler hat in Madrid einen Traum-Einstand gefeiert. In seiner ersten Saison gelangen ihm 19 Liga- und vier CL-Tore. „Jude verstand es sofort, was es bedeutet, für Real Madrid zu spielen“, lobt Ancelotti den 20-Jährigen, der mit der Rückennummer 5 von Legende Zinedine Zidane aufläuft.
CARLO ANCELOTTI:
Zinedine Zidane war nicht nur als Spieler eine Ikone, sondern sammelte mit Real auch als Trainer eifrig Trophäen. 2016, 2017 und 2018 gelang dem Franzosen mit den „Königlichen“ in der Königsklasse sogar ein Hattrick. Sein Nachfolger Ancelotti hat als einziger Übungsleiter überhaupt die Champions League bereits vier Mal gewonnen – je zwei Mal mit Real (2014, 2022) und mit dem AC Milan (2003, 2007). Bei einem fünften Triumph würde er nicht nur diese Führung ausbauen, sondern auch zu Giovanni Trapattoni und Jose Mourinho aufschließen, die bislang als einzige Coaches bewerbsübergreifend fünf Europacupsiege einfahren konnten.“
EDIN TERZIC:
Vor einem Jahr weinte Edin Terzic vor der „Gelben Wand“ – der Südtribüne im Dortmunder Stadion, auf der er selbst einst als Fan gestanden ist. Der BVB hat soeben am letzten Spieltag den sicher geglaubten Meistertitel aus der Hand gegeben. So ganz verheilt ist diese Wunde immer noch nicht. In der Bundesliga belegte die Borussia in dieser Saison nur Platz fünf, spielte dafür allerdings eine internationale Saison, die ihr kaum jemand zugetraut hat. „Unser Ziel ist es, die Champions League zu gewinnen, und dazu muss man die Champions schlagen. Jetzt wartet der absolute Champion in der Geschichte auf uns“, gibt sich Terzic optimistisch. Inzwischen nervt es ihn, ständig auf seine Fan-Vergangenheit angesprochen zu werden. Aber gelingt der große Coup, würden diesmal bestimmt Freudentränen fließen.