Jennifer Hermoso habe bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt und anschließend Luis Rubiales angezeigt, berichteten der Radiosender Cadena Ser und weitere Medien am Mittwoch unter Berufung auf Justizkreise in Madrid. Ein Justizsprecher bestätigte auf dpa-Anfrage diese Informationen.
Nach der Anzeige von Hermoso kann die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie bei einem Untersuchungsgericht die Einleitung von Ermittlungen gegen Rubiales beantragt. Nach Schätzungen von Experten könnte der 46 Jahre alte frühere Profi zu einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren verurteilt werden, wenn er schuldig gesprochen werden sollte.
Rubiales hatte bei der Siegerehrung nach dem von Spanien gewonnenen WM-Finale in Sydney am 20. August Hermoso auf den Mund geküsst. Er beteuert, dies sei in beiderseitigem Einvernehmen erfolgt. Hermoso erklärte aber, sie habe sich "als Opfer einer impulsiven, sexistischen und unangebrachten Handlung gefühlt, der ich nicht zugestimmt habe". Der Weltverband (FIFA) hat Rubiales bereits für 90 Tage suspendiert und ein Disziplinarverfahren eingeleitet.
Die Staatsanwaltschaft am Staatsgerichtshof in Madrid war Ende August aktiv geworden und hatte Hermoso gefragt, ob sie Anzeige erstatten wolle. Man gehe "aufgrund der eindeutigen öffentlichen Erklärungen" davon aus, dass die Fußballerin Opfer eines mutmaßlichen sexuellen Übergriffs geworden sein könne, da es offenbar "keine Art von Einwilligung" gegeben habe, hieß es. Die Behörde konnte allerdings nicht von Amts wegen handeln und benötigte nach spanischem Recht eine Anzeige der Spielerin.
Rubiales weigert sich weiterhin, als Verbandschef zurückzutreten, obwohl das unter anderem auch von den Regionalverbänden des RFEF gefordert wurde. Die Möglichkeit eines Misstrauensvotums gegen den suspendierten Präsidenten lehnte der Nationalverband jedoch ab. Der spanische Sportgerichtshof (TAD) hat zwar die Eröffnung eines Verfahrens gegen Rubiales beschlossen, aber nur wegen "schweren" Fehlverhaltens. Damit ist eine Suspendierung von Rubiales durch die oberste spanische Sportbehörde (CSD) nicht möglich. Nur im Falle der Einleitung eines Verfahrens wegen eines "sehr schweren" Fehlverhaltens hätte auch der CSD den 46-Jährigen vorläufig des Amts entheben können.