Die Hintergründe sind schwer vergleichbar, die Reaktionen umso mehr. Der stolze Deutsche Fußball Bund (DFB) wirkt vor der Heim-EM 2024 schwer gebeutelt. Wie Ende 2022 in Katar bei den Männern traf das Aus der Frauen den Verband unvermittelt. Die K.-o.-Runde war fest eingeplant, mehr noch als bei der männlichen DFB-Auswahl sogar die Teilnahme am Finale. DFB-Präsident Bernd Neuendorf wollte selbst erst in der finalen Phase nach Australien zu den Vize-Europameisterinnen reisen. Stattdessen blieb er auf laut Eigenaussage "gepackten Koffern" sitzen.

Umgekehrt konnte der 70-köpfige DFB-Tross erst nach und nach zurückreisen, weil auf die Schnelle nicht alle Passagiere in einem oder zwei Flugzeugen untergebracht werden konnten. Das frühe Aus kam auf allen Fronten überraschend. "Wir wollten eigentlich um den Titel spielen", sagte Joti Chatzialexiou, der Leiter der Nationalmannschaften beim DFB, nach dem "Rückschlag für den Frauenfußball".

Wieder musste die Verbandsspitze eine Tiefenanalyse des Scheiterns ankündigen, bei der es diesmal auch um die Rolle von Trainerin Martina Voss-Tecklenburg gehen soll. Einiges deutet darauf hin, dass die 55-Jährige ihre Auswahl im September in die Nations League und die damit verbundene Olympia-Qualifikation für Paris 2024 führen soll. Neuendorf sprach ihr sein Vertrauen aus.

Nach dem Aus der Männer, das medial mit deutlich drastischeren Worten begleitet worden war, musste Direktor Oliver Bierhoff gehen. Cheftrainer Hansi Flick durfte nach tagelanger Hängepartie und einem Gipfeltreffen bleiben. Der DFB berief eine "Task Force" mit großen Namen früherer Zeiten ein und infolgedessen Rudi Völler zum neuen Sportdirektor. Geholfen hat das dem Image bisher nicht, im Gegenteil steht Flick nach schwachen Auftritten im Sommer bei den kommenden Länderspielen im September gegen Japan und Frankreich unter großem Druck.

U21 holte nur einen Punkt

Die U21 der Männer scheiterte zuletzt krachend mit nur einem Punkt in der Vorrunde der EM. Neuendorf verwies nun auf die Erfolge der Juniorenteams im U17- und U19-Bereich. Kritisiert wird bei Männern wie Frauen aber insbesondere die Ausbildung junger Talente. "Wir lernen es nicht, Entscheidungen zu treffen", schrieb Ex-Nationalteamspielerin Tabea Kemme. "In Deutschland spielen wir strategischen Fußball, geben der Intuition keinen Raum. In der Theorie kennen die Spielerinnen jede Lösungsmöglichkeit, auf dem Platz muss man aber manchmal instinktiv Entscheidungen treffen."

Neuendorf räumte zwar ein, der sportliche Erfolg stünde "über allem". Einschneidende Auswirkungen auf die Euphorie bei der Männer-EM im kommenden Jahr befürchtet der DFB-Präsident aber nicht. "Das kann man an verschiedenen Dingen ablesen", sagte er und verwies auf die hohe Bereitschaft der freiwilligen Helfer für das Heim-Turnier. Im Frauenfußball bewirbt sich der Verband gemeinsam mit Belgien und den Niederlanden um die Ausrichtung der WM 2027.

Die bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) im Unfrieden gegangene Donata Hopfen zeichnete indes ein Untergangsszenario. Der deutsche Fußball sei "abgehängt und braucht dringend Veränderung - neue Ideen, Offenheit für moderne Impulse und Angänge". Sonst werde aus der Heim-EM der Männer im kommenden Jahr kein Sommermärchen, sondern "ein Sommergrusel", schrieb die Ex-DFL-Chefin auf dem sozialen Netzwerk "LinkedIn".