Der frühere FIFA-Boss Joseph Blatter hat sich angesprochen auf neue Berichte über eine angebliche Spionageaffäre um WM-Gastgeber Katar und den Fußball-Weltverband "überrascht" gezeigt. "Es ist bedenklich, dass man das macht", sagte der 86-Jährige im Schweizer Rundfunks SRF, der am Mittwoch über ein demnach aus Katar gesteuertes Geheimprojekt berichtete. Dem Emirat wird vorgeworfen, über eine US-amerikanische Firma Spionageaktionen gegen FIFA-Funktionäre orchestriert zu haben.
Katar soll demnach im Zuge der Endrunden-Vergabe im Dezember 2010 und im Anschluss an diese die Firma eines früheren CIA-Agenten beauftragt haben, Offizielle auszuspionieren. Hunderte Millionen Euro seien dafür aufgewendet worden. Hacker sollten brisante Informationen von Computern stehlen. "Der Wüstenstaat wollte, dass ihm innerhalb der FIFA keine Positionsänderung, keine neuen Freundschaften, keine potenziell gefährliche Allianz entgeht - einfach nichts, was die WM-Austragung gefährden könnte", schrieb der SRF. Aus Katar gab es zunächst keine Stellungnahme dazu.
Spuren führen zu IT-Firma nach Indien
Mutmaßlich seien in der Schweiz im Auftrag Katars Straftaten begangen worden, hieß es in der Reportage. Erstes Ziel soll im Jänner 2012 der frühere Blatter-Berater Peter Hargitay gewesen sein, die Spuren führen demnach zu einer IT-Firma nach Indien. Das würden Akten des Zürcher Strafverfahrens zeigen, die dem SRF vorliegen. Die Spuren führen dann weiter in die USA zur Spionagefirma Global Risk Advisors um den Ex-CIA-Spion Kevin Chalker. Dessen Anwalt weist die Vorwürfe dem SRF zufolge zurück. Gegen Chalker wird laut der Nachrichtenagentur AP auch vom FBI ermittelt.
Eigentliches Ziel der Aktion gegen Hargitay soll der australische Verbandschef Frank Lowy gewesen sein, der als Katar-Kritiker galt. Lowy sollte durch eine Anzeige beim FBI angeschwärzt werden. Betroffen war dem Bericht zufolge auch der frühere Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, Theo Zwanziger, der von 2011 bis 2015 Mitglied im FIFA-Exekutivkomitee war. Zwanziger sollte demnach wegen seiner kritischen Haltung zum WM-Gastgeber Katar beeinflusst werden.
Gefühl wie bei einer Gehirnwäsche
"Das fühlt sich an wie Gehirnwäsche, die man mit diesen Mitteln betreiben will", sagte Zwanziger dem SRF. Der Deutsche sieht die FIFA in der Pflicht. "Das ist ein solcher Skandal. Den müssten die aufgreifen, die verantwortlich sind. FIFA-Präsident Infantino als Allererster. Aber der macht das natürlich nicht, weil er ein Vasall von Katar ist."
Der SRF zitierte aus einem internen Dokument, das Global Risk Advisors Katar vorgelegt habe. Dieses schlägt für das Projekt ein Budget zwischen 387 Millionen und 567 Millionen Dollar vor. 66 Personen sollten demnach neun Jahre lang für Katar arbeiten.
Wiederaufnahme möglich
Die Schweizer Staatsanwaltschaft wies indes auf Anfrage die Vorwürfe zurück, sie habe in diesem Fall zu passiv agiert. Weiter hieß es: "Für den Fall, dass im Kontext des vor der Staatsanwaltschaft geführten Verfahrens neue Beweismittel oder Tatsachen bekannt werden, welche für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit einer Person sprechen und sich nicht aus früheren Akten ergeben, kann die Staatsanwaltschaft gestützt auf die Strafprozessordnung die Wiederaufnahme eines rechtskräftig beendeten Verfahrens verfügen."