Geimpft oder nicht geimpft – das ist die derzeit Vieles bestimmende Frage, die längst auch Einzug in den Spitzensport gefunden hat. Für jede Menge Gesprächsstoff haben dabei zuletzt zwei Topstars gesorgt: Tennis-Ass Dominic Thiem und Bayern-Star Joshua Kimmich sind mit ihrem Impfstatus an die Öffentlichkeit gegangen – beide sind (oder waren) ungeimpft. Ob ihnen bewusst war, welche Lawinen sie mit ihrem Bekenntnis auslösen, ist fraglich, sind beide doch mittlerweile zu Spielbällen der gespaltenen Gesellschaft bis hin auf höchste politische Ebenen geworden.
Die Reaktionen kommen natürlich nicht überraschend, „gibt es doch zu jedem gesellschaftspolitischen Thema zwei Positionen. Jede Gesellschaft muss gespalten sein, weil die Leute unterschiedliche Interessen haben. Das zieht sich durch die gesamte menschliche Kultur“, sagt der Grazer Psychologe und Verhaltenstherapeut Alois Kogler, der zugleich betont: „Hätten sie einen guten Medienberater, wären die beiden nicht damit an die Öffentlichkeit gegangen.“ Warum nicht? „Weil diese Konfrontation eine große Auswirkung auf die Leistung eines Sportlers hat, bewirkt sie bei ihm doch eine große Betroffenheit. Das Thema beschäftigt ihn massiv. Und das wird auch noch eine bestimmte Zeit lange andauern.“
Körper als wichtigstes Kapital
Warum sich die beiden Top-Athleten wie auch viele ihrer Kollegen noch nicht impfen lassen haben, vermutet Kogler darin, „dass gerade bei Sportlern eine nachvollziehbare Angst vorhanden ist, handelt es sich dabei doch um einen Eingriff in ihren Körper. Und der ist nun einmal ihr wichtigstes Kapital.“ Daher sei es auch wichtig, dass sich Spitzensportler beraten lassen würden: „Spitzenleistungen benötigen immer ein Team, wo man sich mit Fachleuten berät. Bei der Impfung ist es im Prinzip dasselbe“, sagt Kogler, der selbst ein absoluter Befürworter des „Stichs“ ist.
So gäbe es laut dem Steirer keinen Impfstoff, der so gut untersucht worden sei wie der RNA-Impfstoff, ehe er in die Massenanwendung kam. Dass viele Menschen das Thema „Impfung“ zur Privatsache erklären, kann Kogler nicht nachvollziehen, „weil jeder ansteckend sein kann. Die Impfung schützt nicht zu 100 Prozent, ist in der Masse aber ein ganz entscheidender Schutz. Weil dadurch die Menge an Covid-Erkrankungen auf bis zu 80 bis 90 Prozent reduziert wird.“
Sportler werden instrumentalisiert
Geht es um die Vorbildwirkung, sollten Spitzensportler laut Kogler auf alle Fälle geimpft sein. Macht man etwa wie Novak Djokovic daraus ein Geheimnis bzw. pocht auf die Privatsphäre, sei das einerseits zwar verständlich, „weil ein Spitzensportler nicht nach der Mehrheitsmeinung geht. Er zieht auch im Training immer seinen eigenen Stil und seine Meinung durch, sonst kommt er nicht an die Spitze.“ Auf der anderen Seite „hat eine Person des öffentlichen Lebens kein Recht auf Privatsphäre, sondern unterliegt der medialen Gesetzmäßigkeit. Also Prozessen, die das Recht auf eine eigene Entscheidung quasi ausschalten.“ Bestes Beispiel dafür sind aktuell Österreichs Politiker, die Thiem zur Impfung aufrufen oder ihn zu informellen Gesprächen einladen wollen und das Tennis-Ass damit instrumentalisieren.