Dass georgische Fußballer gerne im Süden Österreichs ihre Zelte aufschlagen, ist nicht erst bekannt, seitdem das Trio Otar Kiteishvili (Sturm), Guram Giorbelidze und Luka Lochoshvili (beide WAC) durch die Grazer Sporgasse schlendert. Vor allem in der steirischen Landeshauptstadt haben georgische Kicker Tradition. David Mujri, Ilia Kandelaki, Giorgi Popkhadze und insbesondere Giorgi Shashiashvili lassen Alt-Stadionsprecher Ludwig "Lucky" Krentl noch heute erschaudern. Einer, der vor nicht allzu langer Zeit auch noch das schwarz-weiße Trikot übergestreift hatte, ist den umgekehrten Weg gegangen: Lukas Grozurek.
Seit Ende Jänner steht der Wiener bei Dinamo Batumi in Georgiens höchster Spielklasse unter Vertrag, nachdem er wenige Wochen zuvor noch ein Arbeitspapier beim SKN St. Pölten unterschrieben hatte. "Es ist kein Geheimnis, dass ich mit dem Trainer (Robert Ibertsberger, Anm.) nicht wirklich ausgekommen bin", sagt Grozurek. "Er hat mich nie dort spielen lassen, wo ich wollte. Aber ich will nicht nachtreten, auf meiner Position hat Dor Hugi ja auch regelmäßig getroffen. Sie haben mir keine Steine in den Weg gelegt."
Aber warum Georgien? Diesen Gedankengang hatte Grozurek zunächst auch. "Als mir mein Berater Markus Katzer gesagt hat, er hätte da was in Georgien, habe ich mir auch gedacht: 'Na servas!'", meint der Offensivspieler. "Otar Kiteishvili hat mir dann aber nur das Beste erzählt und mir die Sache richtig schöngeredet. Auch Jakob Jantscher, der einmal zwei Stunden entfernt in der Türkei bei Rizespor gespielt hatte, hat mir gesagt, ich soll das sofort machen." Doch keine Mär also, der Wechsel ans Schwarze Meer. "Da habe ich mir gedacht: Worauf soll ich warten? Ich bin jetzt 29 Jahre alt, im schlimmsten Fall lebe ich ein Jahr mehr und genieße das Leben."
Grozurek: "Wollte mich fühlen wie ein Salzburg-Spieler"
Statt Abstiegskampf mit St. Pölten heißt es nun also Titelkampf mit Batumi – ganz nach dem Geschmack von Grozurek. "Ich habe keinen Bock mehr, dass ich irgendwo gegen den Abstieg herumgurke und immer kämpfen muss", meint der ehemalige Nachwuchsteamspieler und legt lachend nach: "Ich wollte mich halt auch einmal fühlen wie ein Salzburg-Spieler." Nach 13 Spieltagen liegt Batumi in der Ganzjahresmeisterschaft punktgleich mit Rekordmeister Dinamo Tiflis auf Platz eins. Am vergangenen Wochenende konnte Batumi auch das zweite von insgesamt vier Saisonduellen mit Tiflis mit 1:0 für sich entscheiden.
"Wir haben eine wirklich gute Mannschaft", sagt Grozurek. "Spielerisch ist sie von all meinen Stationen nach meiner Rapid-Zeit mit Steffen Hofmann, Branko Boskovic und Co. sogar die beste." Batumi lechzt förmlich nach dem ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte. Gegen Tiflis spielten Grozurek und seine Kollegen erstmals in dieser Saison im um 33 Millionen Euro neu errichteten Stadion. Auch das heimische Trainingszentrum wurde rundum erneuert, verfügt über Kraftkammer, Sauna, Pool und mehr.
"Wir müssen Meister werden", ist sich Grozurek dem Druck bewusst. "Wenn wir einmal nur Unentschieden spielen, dann fliegen in der Kabine die Fetzen, aber so richtig." Auf der anderen Seite werden gute Leistungen auch dementsprechend honoriert. "Natürlich war das Geld ein Mitgrund für den Wechsel", sagt Grozurek. "Ich weiß jetzt noch nicht, wie viel wir bei einem Sieg im nächsten Spiel an Prämie bekommen. Das wird dann spontan vom Präsidenten entschieden."
Sturm-Aus "das Beste, was mir passieren konnte"
Qualitativ gebe es in der Erovnuli Liga ähnlich wie in Österreichs Bundesliga hinter den "großen Vier" Tiflis, Batumi, Dila Gori und Saburtalo ein steiles Gefälle. Beim 8:1-Erfolg über Schukura Kobuleti Ende April gelang Grozurek seine ersten beiden Treffer für seinen neuen Klub. "Es ist aber ein Wahnsinn, wie hier alle Fußballspielen wollen", filtert Grozurek einen großen Unterschied zur heimischen Liga heraus. "Wir haben im Cup gegen einen Zweitligisten gespielt, die haben immer von hinten herausgespielt. Da glaubst du, der Tormann hat den Zehner am Buckel."
Auch für Grozurek selbst hat es nach seiner Zeit bei der Admira mit dem Fußballspielen in Österreich nicht mehr so richtig geklappt. Der ursprüngliche Vertrag des Angreifers beim SK Sturm wäre erst im Sommer dieses Jahres ausgelaufen. "Warum es nicht funktioniert hat, habe ich mich auch schon öfters gefragt", blickt Grozurek zurück. "Ich fand meine Leistungen nicht so schlecht, war nach Peter Zulj der zweitbeste Scorer im Team." Dass die Saison 2018/19 für die Schwarz-Weißen mit Endrang fünf generell nicht gut verlief, ist auch Grozurek bewusst. "Es hat dann geheißen, ich kann gehen. Einen Markus Pink und andere Offensive, die weniger geleistet haben als ich, haben sie aber behalten. Im Endeffekt war es das Beste, was mir passieren konnte."
Was folgte, war nämlich eine Leihe in die 2. Deutsche Bundesliga zum Karlsruher SC. "Die Zeit war wunderschön und eine Erfahrung, die nicht jeder machen darf", meint Grozurek. Nach einem guten Start mit zwei Toren zog sich der Wiener eine Kehlkopfentzündung zu, trainierte ein ganzes Monat nicht mit. "Als ich zurückgekommen bin, war der Klub plötzlich im Abstiegskampf. Ich habe dann keine Chance mehr bekommen, der Trainer hat die Fighter spielen lassen. Und dass ich nicht der größte Fighter bin, ist mir auch klar."
So zerschlug sich ein längeres Engagement beim KSC, bei Sturm wurde Grozurek schließlich zur Gänze aussortiert, schloss sich St. Pölten und in weiterer Folge Batumi an. Sein Vertrag in der georgischen Hafenstadt läuft bis Jahresende - vielleicht sogar darüber hinaus? "Die Stadt ist großartig und wenn ich die Balkontür in meinem Appartement im 21. Stock aufmache, schaue ich direkt aufs Meer", sagt Grozurek. "So schlecht geht es mir hier nicht."