"Mich überrascht nichts mehr", teilte der frühere FIFA-Chef Joseph Blatter am Donnerstag auf Anfrage mit. "Die Kontrollorgane der FIFA sind unter Gianni Infantino nicht mehr unabhängig."
Die FIFA hatte am Mittwoch verlautbart, dass Infantino trotz schwerwiegender Vorwürfe und eines laufenden Strafverfahrens von der hauseigenen Ethikkommission nicht sanktioniert werde. Chefermittlerin Maria Claudia Rojas habe demnach im Mai 2020 zwar eine Voruntersuchung gegen den 50-Jährigen eingeleitet. "Nach Prüfung der maßgebenden Unterlagen und Beweise" sei aber beschlossen worden, "das Verfahren wegen mangelnder glaubhafter Beweise" einzustellen.
Die Ethikkommission untersuchte laut FIFA "verschiedene behauptete Verstöße", vor allem aber die Buchung eines Charterfluges von Surinam nach Genf sowie die geheimen Treffen von Infantino mit dem Leiter der Schweizer Bundesanwaltschaft, Michael Lauber. Wegen der Treffen hatte die Schweizer Staatsanwaltschaft Ende Juli ein Strafverfahren gegen Infantino eröffnet.
Eine Frage bleibe im Raum, so Blatter, der wegen diverser Verfehlungen einst selbst von der Ethikkommission verurteilt worden war. "Was passiert mit Infantinos Lüge zum Surinam-Rückflug? Er schob damals ein Treffen mit UEFA-Präsident (Alexander) Ceferin in der Schweiz vor – obwohl dieser davon nichts wusste und in Armenien weilte."
Über den Flug hatte die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. Infantino habe kurzfristig einen Privatflieger genutzt, um aus Südamerika in die Schweiz zurückzureisen. Gegenüber dem Compliance-Chef des Weltverbandes, Tomaz Vesel, der eine Erklärung einforderte, habe er die dadurch anfallenden höheren Kosten im angeblich sechsstelligen Bereich mit dringenden Terminen am Folgetag gerechtfertigt, die es laut "SZ"-Bericht aber zumindest zum Teil nie gegeben haben soll. Die FIFA hatte sämtliche Vorwürfe zurückgewiesen.