Lediglich neun Straßenkilometer trennen die beiden Schweizer Orte Visp und Brig. Sie liegen im Oberwallis und das einzigartige Matterhorn ist bequem per Bahn binnen einer knappen Stunde zu erreichen. In diese Idylle wurden die beiden mächtigsten Männer im Fußball des 21. Jahrhunderts geboren: Sepp Blatter (84) und Gianni Infantino (50).
Die geographisch nachbarschaftliche Verbindung ist bei Weitem nicht die einzige Parallele zwischen Blatter und Infantino und nun gesellt sich ein bemerkenswerter Aspekt, der neuerlich den Endpunkt einer Laufbahn markieren könnte, hinzu. Denn gegen Infantino, der 2016 Blatter als Präsident des Fußball-Weltverbandes FIFA nachfolgte, wurde ein Strafverfahren eröffnet. Im Fall Blatter reichten schon die bloßen Ermittlungen für eine Absetzung, zu einem Strafverfahren ist es bis heute nicht gekommen.
So durfte sich „Don Pallone“, wie Blatter bisweilen als FIFA-Clan-Chef bezeichnet worden war, wiederholt in der Rolle als Elder Statesman des Fußballs zu Wort melden und er sparte auch nicht mit Kritik an seinem Nachfolger. Vermutlich sitzt der Veteran jetzt zu Hause und lacht sich ein klein wenig ins Fäustchen, dass Infantinos Traum von der geballten Macht nunmehr wohl zerplatzt ist. Denn die Ermittlungen bedeuten, dass der Eidgenosse von der FIFA bis zum Abschluss des Strafverfahrens suspendiert werden müsste. Blatter hat dies umgehend gefordert. In den Bestimmungen steht, dass dies erfolgen kann, „um sicherzustellen, dass das Verfahren nicht behindert wird“. Es wäre wohl das Aus für Infantino.
Geheime Treffen
Gerade die Behinderung der Justiz ist nämlich bei der vorliegenden Strafverfolgung ein zentraler Vorwurf. Es geht in erster Linie um geheime Treffen zwischen dem FIFA-Chef und dem Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber. Die anrüchigen Meetings gingen 2016 und 2017 über die Bühne, als die Bundesanwaltschaft gegen die FIFA wegen Korruption ermittelte. Der Strafverfolger trifft den Verfolgten – ein Klassiker für den Freund der Kriminalistik. Vermittelt hat die Begegnungen der Oberwalliser Oberstaatsanwalt Rinaldo Arnold. Dieser stammt wie Infantino aus Brig. Bei diversen Befragungen erwies sich zudem das Erinnerungsvermögen der Beteiligten als äußerst lückenhaft.
Am 29. Juni wurde aufgrund der Verdachtsmomente gegen Lauber in der Schweiz ein außerordentlicher Bundesstaatsanwalt, Stefan Keller, ernannt. Dieser sollte ursprünglich vier Strafanzeigen prüfen, die gegen Lauber, FIFA-Präsident Infantino und weitere Personen eingegangen sind. Seither wurden zusätzliche Strafanzeigen gestellt. Keller hat nun die Prüfung von zwei Anzeigen abgeschlossen. Er kommt zum Schluss, dass im Zusammenhang mit den Treffen von Lauber mit Infantino und Arnold Anzeichen für ein strafbares Verhalten bestehen. Konkret geht es dabei um Amtsmissbrauch, Verletzung des Amtsgeheimnisses, Begünstigung und die Anstiftung zu diesen Tatbeständen. Die Verfahren wurden eingeleitet. Keller beantragte dafür die Aufhebung der Immunität von Bundesanwalt Lauber.