Als die UEFA am 14. Februar, dem Tag der Liebe, die zweijährige Verbannung von Manchester City aus dem Europacup bekannt gegeben hatte, hielt sich das Mitleid der weltweiten Fußballfamilie in engsten Grenzen. Das zahnlose System des Financial Fairplay hatte auf einmal doch zugebissen und ausgerechnet den dicksten Fisch im Sumpf der finanziellen Mauscheleien unter den Superklubs an der Angel.
Nun ist es ja nicht so, dass die honorigen Herren vom Club Financial Control Body der UEFA plötzlich ihre investigative Ader entdeckt hätten – erst dank der über das Magazin „Der Spiegel“ gespielten Enthüllungen des bis Mai inhaftierten Whistleblowers und Initiators der Plattform „Football Leaks“, Rui Pinto, kamen die Ermittlungen im Sommer 2018 ins Rollen. Resultat: Es gibt starke Indizien, dass Sponsorgelder von Etihad Airways, dem Tourismusverband von Abu Dhabi, dem Telekommunikationsunternehmen Etisalat und dem Investmentfonds Aabar großteils direkt von City-Mehrheitseigentümer Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan, Sohn des Herrschers von Abu Dhabi, überwiesen wurden. Damit hätte Manchester City die Compliance-Regeln des Financial Fairplay grob missachtet.
Den Tod eines Mitglieds der siebenköpfigen Untersuchungskommission der UEFA kommentierte Klubanwalt Simon Cliff ziemlich menschenverachtend: „One down, six to follow!“ Nachdem die Sperre publik geworden war, unterstrich auch die Reaktion des Statthalters von Scheich Mansour und Chairman von Manchester City, Khaldoon al Mubarak, dass man auf Krawall gebürstet sei: „Unser Fall wurde von der UEFA initiiert, verfolgt und gerichtet – das widerspricht allen Grundsätzen eines fairen Verfahrens.“ Gegenüber FIFA-Präsident Gianni Infantino äußerte Khaldoon, dass man eher 30 Millionen für die besten Anwälte der Welt ausgeben und zehn Jahre lang prozessieren werde, als die Strafe zu akzeptieren. Unmittelbar nach dem Urteil zog City vor den Court of Arbitration for Sport (CAS).
Rückblende: 2007 passte eine Zeile der Klubhymne „Blue Moon“ wie die Faust aufs Auge: „You saw me standing alone without a dream in my heart.“ Manchester City war vor zwölf Jahren bankrott. Der thailändische Milliardär Thaksin Shinawatra erwarb für schlanke 70 Millionen Pfund den Klub und versprach massive Investitionen. Ein Jahr später löste sich der Rettungsfallschirm in Fetzen auf – gegen Shinawatra wurde ein Haftbefehl wegen Korruption erlassen.
Vier Monate später ging in Abu Dhabi ein Megadeal über die Bühne. Scheich (oft auch: Sheikh) Mansour nahm City unter seinen schützenden Kaftan. Allein bis 2012 investierte er mit seiner Abu Dhabi United Group 900 Millionen Pfund in den Verein. Der Transfer des Brasilianers Robinho war der erste Fingerzeig, dass sich City ab sofort nur noch in der Feinkostabteilung des Fußballs bedienen werde. Rund um das Etihad-Stadion wurde ein gigantischer Sportkomplex hochgezogen – dort, wo die ärmsten Bewohner Manchesters leben und im 19. Jahrhundert die Geburtsstunde der Industriellen Revolution schlug. Der post-industrielle Hangover mit astronomischen Arbeitslosenzahlen schien mit einem Schlag wie weggeblasen und angesichts der goldenen Zukunft von City nebensächlich.
Auch bei den Anwälten wird nicht gespart
Als die UEFA 2011 das Financial Fairplay als Mauer gegen gewissenlose Raubtierkapitalisten – oder, wie böse Zungen behaupten, zum Schutz der alten Elite – erbaute, war schon klar, dass es bald zum Crash mit neureichen Vereinen kommen würde. In Paris bastelte Nasser Al-Khelaifi seit 2011 mit seiner durch Erdgasmilliarden befeuerten Qatar Sports Investments an einem französischen Big Player. Dank der schützenden Hand des damaligen UEFA-General Gianni Infantino entging PSG vor fünf Jahren einer Sperre, das abenteuerliche Konstrukt rund um die Transfers von Neymar und KylianMbappe blieb ungeahndet. Doch am Pranger steht ab heute in Lausanne allein Manchester City. Und der Klub fährt gewaltige Geschütze auf: Der englische Spitzenjurist und Brexit-Spezialist David Pannick wurde engagiert, daneben steht die geballte Manpower der Londoner Topkanzleien Freshfields und Monckton Chambers bzw. Kellerhals aus Lugano Gewehr bei Fuß. Die Anwälte werden auch eine mögliche Bestätigung der Sperre nicht schlucken, sondern am Schweizer Bundesgericht und am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte berufen.
Falls der CAS City pardoniert, würde das für die UEFA den Super-GAU bedeuten. Macht und Regulativ wären mit einem Schlag ausgehebelt, das Damoklesschwert einer weltweiten Superliga hängt ohnehin nur an einem dünnen Faden über dem Hauptquartier in Nyon. Und wenn das Schicksal besonders zynisch wäre, dann würde es UEFA-Präsident Aleksander Ceferin dazu verurteilen, ausgerechnet der Elf von Star-Trainer Pep Guardiola den Henkelpott für den Triumph in der Champions League zu überreichen. Falls die überhaupt diese Saison jemals fortgesetzt wird.
Herbert Eichinger