Der Zeitplan des Präsidenten ist eng. Gianni Infantino kehrte gerade aus Rabat in Marokko zurück nach Genf, um sofort nach Budapest aufzubrechen. Für etwas mehr als eine Stunde war er im Billig-Flieger in Ungarns Hauptstadt gejettet, um beim Weltkongress der Sportjournalisten AIPS Rede und Antwort zu stehen. Letztlich war es mehr Rede als Antwort, denn Zeit für viele Fragen blieb nicht. Denn der Italiener hatte doch einige Themen, die er unterbringen wollte

Sein Lieblingsthema: Afrika. Der Kontinent, in dem er, wie ihm von mamchen Seiten vorgeworfen wird, für Chaos gesorgt hat, indem er den amtierenden Präsidenten des afrikanischen Verbandes (CAF) abberufen und durch FIFA-Angestellt oder seine Vertraute ersetzt hatte. Für Infantino geht es darum, die Kontrolle zurückzubekommen - nach außen nennt sich das „Transparen“ und „Kampf gegen Korruption“. Er, so stellte der Präsident fest, wolle „den Funktionären und Präsidenten die Kontrolle über den Fußball aus der Hand nehmen“. Gut gemeint natürlich, schließlich gehe es um den Sport. Und afrikanische Funktionäre tendierten in letzter Zeit dazu, sich selbst und ihre Interessen über jene des Sports zu stellen. 

Er habe diesen Trend aber im internationalen Verband schon umgekehrt: „Als ich das Amt angetreten habe, war die Marke FIFA vergiftet. Niemand wollte uns haben, keiner wollte Geschäfte mit uns machen. Das hat sich geändert“, sagt Infantino und verweist, nicht ohne Stolz, auf eine Zahl, die seine Daseinsberechtigung ausmacht: „Vor mir hat die FIFA 350 Millionen Dollar über vier Jahre verteilt. Derzeit investieren wir 1,75 Milliarden Dollar über vier Jahr. Und wir checken, dass jeder Dollar ankommt und nicht in den Taschen der Funktionäre verschwindet oder für den Bau des Pools des Präsidenten verwendet wird. Wir sind ja kein Schwimmverband.“

FIFA-Präsident Gianni Infantino
FIFA-Präsident Gianni Infantino © APA/AFP/ATTILA KISBENEDEK

Infantinos Schlüssel: Infrastruktur 

Nein, Infantino will als FIFA investieren, als Weltverband Kredite aufnehmen und in jedem afrikanischem Staat ein Stadion bauen lassen. „Ich war in 41 Ländern Afrikas. Und teilweise war es wirklich so, dass in der Nacht vor wichtigen Spielen noch Schafe auf dem Spielfeld gegrast haben. Das kann nicht sein!“ Sein Plan sieht weit mehr vor - einen neuen Afrika-Cup, der, „so sagen uns Experten“, das Zeug hätte, in die Top-zehn-Events der Welt zu kommen, „Damit kann man 200 Millionen oder mehr generieren, mit einer afrikanischen Super-League“, sagt er, denn: „Das wäre kein Nischenprodukt mehr, das ist ein Weltprodukt. Und die Infrastruktur ist der einzige Weg, den Fußball zu kommerzialisieren.“

Der Punkt, wie gesagt: Kein Verband würde bauen, kein Verein, sondern die FIFA würde alles beaufsichtigen, die Kredite aufnehmen, den Bau begleiten. „Investieren heißt nicht, einem Verband 30 Millionen zu geben. Das Geld bekommt die FIFA und wir garantieren dann alles!“ Fraglich bleibt nur, ob auch die Vereine in Europa zustimmen, wenn sie ihre Akteure etwa für den Plan, den Afrika-Cup wieder in den Jänner zu verschieben, zustimmen. „Der Vorschlag liegt am Tisch, wir werden sehen, ob Afrika ja sagt!“

Die Sache mit den Agenten

In einem anderen Thema will Infantino die FIFA ebenfalls zur Kontrollinstanz machen: Provisionen für Agenten von Spielern. „Derzeit ist das ein Markt von rund 7,5 Milliarden Dollar pro Jahr - und das sind nur die internationalen Transfers, dazu ohne Reglementierung“, erklärte er. Das sei ihm aber ein Dorn im Auge: „Wenn ein Agent bei einem Transfer von 100 Millionen Dollar 15 Millionen einsteckt, dann ist das meiner Meinung nach zu viel.“ Was ihm vorschwebt: „Wir müssen wieder eine Lizenzierung für Agenten einführen. Es kann nicht sein, dass die Mutter, der Vater, der Bruder, der Cousin oder wer auch immer einen Spieler vertritt. Und es kann ebenso nicht sein, dass ein Agent in einem Transfer mehr als eine Seite vertritt. Das müssen wir auch abstellen.“

Infantino schwebt eine Beschränkung der Provision vor, diese soll dadurch kontrollierbar sein, dass alle Transaktionen über die FIFA laufen. „Es gibt da aber viele Interessen. Die EU fördert einerseits den freien Markt, andererseits liegt es aber auch in ihrem Interesse, da hin zu schauen. Denn eine Behörde wie die Polizei würde derzeit wohl bei jedem Transfer etwas finden, was nicht passt“, sagte er. Letztlich seien die Spielereien der Agenten auch nicht förderlich für das Image des Fußballs

Sein Plan: „Die FIFA sollte eine Art Clearing House sein, die Stelle, über die alles läuft, die jeden Transfer kontrolliert und damit für Transparenz sorgt und den Ausgleich von Forderungen und Verbindlichkeiten vornimmt.“ Ob das allen Recht sein würde, sei dahingestellt. 

Frauen im Fokus

Der Rest seiner Zukunftspläne? Frauen-Fußball, natürlich. Eine Milliarde Dollar will er hier investieren, „aber schon jetzt war die Frauen-WM nach der Herren-WM das zweitgrößte Sportereignis des Jahres. Und die 1,2 Milliarden, die die WM angeschaut haben, wissen: Das ist echter Sport. Das sind Athletinnen!“ Daher träumt Infantino auch hier von einer Klub-WM, dazu einer WM, die auch von 24 auf 32 Mannschaften aufgestockt wird. 

Apropos WM: Da soll sich auch bei den Herren einiges tun, abgesehen von der „Winter-WM“ in Katar 2022, für die Infantino nach wie vor schwärmt - das totalitäre System spielt für ihn keine Rolle: „Katar wird unglaublich gut, sie werden früher mit allem fertig sein als jeder andere WM-Ausrichter je zuvor. Und ich verspreche: Nach der WM wird die Welt ein ganz anderes Bild von der arabischen Welt haben als jetzt!“

Die Träume des Präsidenten

Einmal ins Schwärmen geraten, hört Infantino nicht auf: Er will den Confed-Cup und die alte Klub-WM abschaffen und dafür eine neue, größere Klub-WM schaffen. Er hält eine Frauen-WM alle zwei Jahre für denkbar. Er träumt von der weltweiten Champions League. Er fordert „lebenslange Sperren“ für rassistische Fußball-Fans, er will die Geschlechter-Schere verringern - und er will den großen Ligen Macht (und Geld)  nehmen und auf andere Ligen verteilen.  

Auf die Frage, ob der Fußball so nicht allen anderen Sportarten die Luft zum Atmen nimmt, meint er nur: „Mein Job ist es, den Fußball global zu pushen. Jeder muss seinen Job machen, ich kann ja nicht auf andere Rücksicht nehmen. Und auch, wenn ich nicht objektiv bin: Was braucht man mehr als Fußball?“

Dann erhob sich Infantino, eilte wieder zum Flughafen - der nächste Termin wartete, in Frankfurt.