Herr Ceferin, wie kommt der höchste Fußballrepräsentant eines so kleinen Landes wie Slowenien auf die Idee, sich für den Posten des UEFA-Präsidenten zu bewerben?
ALEKSANDER CEFERIN: Meine grundsätzliche Überlegung war, dass es höchste Zeit ist, aufzuräumen mit all den alten Gewohnheiten, um einen echten Neubeginn in der UEFA starten zu können. Wir müssen in die Zukunft blicken. Ich gehöre einer anderen Generation an, die diese Aufgaben ernsthaft in Angriff nehmen kann. Und jetzt ist meiner Meinung nach der ideale Zeitpunkt für einen Kandidaten aus einem kleinen Land.
Wann haben Sie mit Ihren Bemühungen um das Amt begonnen und wie sind Sie dabei vorgegangen?
CEFERIN: Das war kurzfristig. Der Start der Kampagne ist erst im Mai erfolgt, und ich habe dann einfach der Reihe nach mit den Präsidenten aller europäischen Fußballverbände Kontakt aufgenommen, in Form von Einzelgesprächen.
Wie sind die ersten Reaktionen denn ausgefallen? Waren Sie mit Erstaunen oder gar unmittelbarer Ablehnung konfrontiert?
CEFERIN: Nein, ganz und gar nicht. Ich habe von der ersten Minute an praktisch ausschließlich positive Rückmeldungen erhalten. Viele haben mich sogar ermuntert, zu kandidieren.
Das heißt, es gab auch keine Stimmen, die Ihnen prophezeiten, im Rennen um die Platini-Nachfolge chancenlos zu sein?
CEFERIN: Überhaupt nicht, eher das Gegenteil war der Fall.
Sahen Sie sich aber nicht sofort Begehrlichkeiten, Wünschen im Falle der Unterstützung Ihrer Kampagne durch den jeweiligen Ansprechpartner ausgesetzt?
CEFERIN: Auch hier ein klares Nein. Es gab keinerlei Forderungen oder dergleichen. Das hat mich in diesem Ausmaß selbst überrascht. Nur ein Beispiel: Auch die Russen haben sich total zurückgehalten und uneingeschränkt positiv reagiert. Nur ein einziger Anruf kam, von einem Vertreter des alten Systems. Er fragte mich, was ich haben will, damit ich mich meine Kandidatur zurückziehe.
Eine bisher nicht unübliche Vorgangsweise . . .
CEFERIN: Ja. Ich habe demjenigen natürlich sofort erklärt, dass er bei mir da keine Chance hat.
Es ist offenbar alles sehr schnell gegangen, denn mittlerweile sieht es für Ihre Bewerbung um das Amt sehr gut aus.
CEFERIN: Nun, ich hatte innerhalb von nur zwei Wochen schon 20 Zusagen, und inzwischen sind auch viele große Verbände dabei, wie Russland, Italien, Frankreich, die Türkei und nun auch Deutschland und Portugal.
Welche Umstände haben Ihrer Einschätzung nach eine Entwicklung in diese Richtung so enorm beschleunigt?
CEFERIN: Sie haben alle genug von dem alten, verkommenen System und von den Apparatschiks. Viele Mitglieder des UEFA-Exekutivkomitees sind schon so lange dabei und haben sich vom Fußball eigentlich schon völlig entfernt. Sie verhalten sich bei offiziellen Anlässen auch dementsprechend und betrachten sich quasi als geschlossene Gesellschaft.
Was, glauben Sie, qualifiziert Sie für dieses Amt, vor allem in puncto Unbestechlichkeit?
CEFERIN: Nun, ich bin als Leiter einer Kanzlei mit 40 Anwälten wirtschaftlich völlig unabhängig. Das ist eine entscheidende Voraussetzung, vor allem im Kampf gegen die Korruption. Ich bestreite alles selbst, wie zum Beispiel die Kosten für die Reisen meiner Kampagne. Es ist absolut notwendig, mit gutem Beispiel voranzugehen.
Was hätten Sie als UEFA-Präsident den Verbänden anzubieten?
CEFERIN: Ich kann niemandem etwas versprechen, aber wir müssen in den dringenden Fragen intensiver vorgehen, bei der Korruption, der Sicherheit, dem Wettbetrug, ein Krebsgeschwür des Fußballs, Doping. Was die Funktion betrifft, so werde ich mich für eine Beschränkung der Amtszeit und für mehr Transparenz einsetzen. Und es gibt bei der UEFA nicht einmal eine eigene Abteilung für Frauenfußball.
Beim Thema Sicherheit hätten Sie persönlich nichts zu befürchten als Träger des schwarzen Gürtels in Karate. Gibt es sonst noch Besonderheiten in Ihrer Biografie?
CEFERIN: Vielleicht . . . Ich habe zum Beispiel zwischen 2003 und 2010 vier Mal die Sahara durchquert, es war immer einzigartig. Inzwischen ist das wegen der instabilen politischen Lage dort leider nicht mehr möglich.
Ihnen kann also niemand mehr Sand in die Augen streuen?
CEFERIN: Ja, stimmt (lacht).
Wie stehen Sie zur kürzlich mitten im Amtsvakuum beschlossenen Champions-League-Reform, die die großen Verbände begünstigt? Die Kleinen laufen ja dagegen Sturm.
CEFERIN: Wirklich fatal wäre die schon häufig ins Spiel gebrachte Super League. Das wäre das Ende der Klubbewerbe. Wir müssen uns die Details noch genauer ansehen, die Verbände waren in die Verhandlungen nicht eingebunden. Ich glaube, es ist hier nötig, einen geeigneten Kompromiss zu finden. Ich kann aber auch hier den Kleinen nichts versprechen. Das wäre ja wieder populistisch.
Wie beurteilen Sie die Anschuldigungen gegen den suspendierten Ex-UEFA-Chef Michel Platini?
CEFERIN: Das ist schwer zu beurteilen. Als Anwalt kann ich dazu aber ohnehin nichts sagen. Wenn die Vorwürfe stimmen, sind sie sicher gravierend.
Sie haben große Verbände hinter sich, ein unmittelbarer Nachbar, Österreich, hat sich noch nicht deklariert. Ihre Meinung dazu?
CEFERIN: Man hatte wohl Sorge, am Ende bei den Verlierern zu sein. Dass sie die Entscheidung so lange hinauszögern, verstehe ich aber nicht. Hätte sich ein Österreicher beworben, wäre ihm die slowenische Stimme längst sicher.