Cristiano Ronaldo und Antoine Griezmann treffen zum zweiten Mal in sechs Wochen in einem großen Finale aufeinander. Im Champions-League-Endspiel am 28. Mai hatte sich Ronaldo mit Real Madrid im Elfmeterschießen gegen den Stadtrivalen Atletico durchgesetzt. Griezmann vergab in der regulären Spielzeit einen Strafstoß. Am Sonntag (21.00 Uhr/live ORF eins) will der Franzose den Spieß umdrehen.
"Es kann nur einen geben", titelte die französische Sportzeitung "L'Equipe" vor dem Duell der Superstars im EM-Finale in St. Denis bei Paris. Griezmann hat Ronaldo im Turnierverlauf bisher in den Schatten gestellt. Sechs Tore hat der 25-Jährige bereits erzielt. So viele sind bei einem Turnier bisher nur seinem großen Landsmann Michel Platini gelungen, der die Franzosen 1984 ebenfalls im eigenen Land zum Titel geführt hatte.
Zumal die Portugiesen zuerst auf ihre defensive Stabilität bedacht sind, hat sich Ronaldo bisher mit einer etwas weniger prominenten Rolle zufriedengeben müssen. Das hinderte den 31-Jährigen aber nicht daran, dem Turnier seinen Stempel aufzudrücken. Portugals Kapitän hält bei drei Toren und drei Assists. 2004 stand er bereits im verlorenen EM-Finale gegen Griechenland (0:1). Ronaldo und Griezmann im Vergleich:
ERFOLGE:
RONALDO: Im Verein und auf individueller Ebene hat er schon fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Ronaldo holte drei Titel in der Champions League, war zudem spanischer und englischer Meister sowie Sieger der Club-WM. Dreimal wurde er zum Weltfußballer gewählt, fünfmal eroberte er die Torjägerkrone in der Champions League. Nur ein großer Titel mit dem Nationalteam fehlt ihm noch.
GRIEZMANN: Der Franzose hat da nicht viel vorzuweisen. Als Atletico Madrid vor zwei Jahren zuletzt spanischer Meister wurde, spielte er noch für Real Sociedad in San Sebastian. Bei den folgenden beiden Spielen um den Supercup gegen Real war Griezmann nach seinem 30-Millionen-Euro-Wechsel im Sommer 2014 dabei - sein bisher einziger Titel. Zuletzt verlor er mit Atletico das Champions-League-Finale gegen Real.
STÄRKEN:
RONALDO: Portugals Rekordinternationaler darf getrost als einer der besten Spieler der Geschichte bezeichnet werden. Er ist technisch stark, athletisch und auch enorm kopfballstark. Das hat er mit seinem Tor im Halbfinale gegen Wales einmal mehr unter Beweis gestellt. Ronaldo ist extrem ehrgeizig, jagt immer neue Rekorde. Seine einzigartige Schusstechnik ist ein Produkt des enormen Trainingseifers.
GRIEZMANN: Der bisherige Star der EM ist ein Instinktfußballer. Er hat einen schnellen Antritt, ist technisch beschlagen und trotz seiner nur 1,75 Meter auch mit dem Kopf gefährlich. Griezmann ist dribbelstark und wendig, obwohl er gar nicht so oft Eins-gegen-Eins-Situationen sucht. Der Franzose antizipiert gut und erkennt Situationen blitzschnell.
SCHWÄCHEN:
RONALDO: Oft zu eigensinnig, anstatt den besser postierten Mitspieler zu suchen. Der Superstar ist zudem etwas ungeduldig. Läuft ein Spiel nicht oder gefällt ihm eine Schiedsrichter-Entscheidung nicht, fällt der 31-Jährige oft durch ausgiebiges Lamentieren auf. Auch die Unterstützung für seine Teamkollegen in der Defensive ist nicht immer vorbildhaft.
GRIEZMANN: Er ist nicht unbedingt einer, der für die Defensivarbeit geboren ist. Spielt er als Speerspitze, was im Finale nicht der Fall sein dürfte, kann er seinen Speed auch nicht ausspielen. Bei dieser EM schien ihn zudem zu Beginn die lange Saison mit den meisten Einsätzen aller EM-Spieler noch zu bremsen. Griezmann überstand aber auch diese kleine Schwächephase.
PERSÖNLICHKEIT:
RONALDO: Kaum ein Spieler polarisiert so sehr wie er. Gilt oft als arroganter Schnösel, andere sehen in ihm ob seines Einsatzes einen Vorzeigeprofis. Ronaldo lebt für seinen Sport. Er fiel bei der EM zwar mit abwertenden Kommentaren gegen Island auf und warf ein Reporter-Mikrofon in einen See. Allerdings sorgte er durch seinem entspannten Umgang mit aufdringlichen Fans auf dem Platz auch für positive Szenen.
GRIEZMANN: Das Party-Image ist passe. Griezmann hat sich in den vergangenen Jahren in jeder Hinsicht weiterentwickelt. Seit April hat er mit seiner Freundin Erika Choperena eine gemeinsame Tochter, Mia. Seit er 14 Jahre alt ist, spielt Griezmann in Spanien. Auf dem Platz ist er keiner, der eine große Show abzieht - abgesehen von seinem Torjubel, den er sich vom kanadischen Rapper Drake abgeschaut hat.
EM-LEISTUNGEN:
RONALDO: Ein Ronaldo wird nicht ausgewechselt. Portugals Kapitän hat bisher jede einzelne Spielminute seines Teams absolviert - 600 sind es an der Zahl. Dem Angreifer gelangen dabei in einer etwas anderen Rolle, als er sie bei Real Madrid bekleidet, bisher drei Tore und drei Assists. Gegen Österreich (0:0) vergab er einen Elfmeter. Keiner gab so viele Schüsse ab, nämlich 45. Überaus effizient war Ronaldo bisher aber nicht.
GRIEZMANN: In puncto Effizienz ist der Franzose seinem großen Gegenüber bisher voraus. Im Schnitt traf er alle 72,5 Minuten, in denen er gespielt hat. Jeder zweite Griezmann-Schuss aufs Tor war bisher auch ein Treffer. Sechs Tore bei einer EM sind bisher nur Platini gelungen. Zudem bereitete er seinen Kollegen zwei Tore vor. 84 Prozent seiner Pässe kamen an, bei Ronaldo waren es 88.