Wales hat sich bei seinem EM-Debüt sensationell ins Halbfinale der Endrunde in Frankreich vorgekämpft. Die Briten setzten sich im unterhaltsamen Viertelfinale gegen Belgien am Freitagabend in Lille trotz frühen Rückstands noch mit 3:1 (1:1) durch. In der Vorschlussrunde treffen die Waliser bei ihrem bisher größten internationalen Erfolg nun am kommenden Mittwoch (21.00 Uhr) in Lyon auf Portugal.

Radja Nainggolan brachte die favorisierten Belgier in der 13. Minute programmgemäß voran. Danach leistete sich der Titelmitkandidat aber herbe Schnitzer in der Defensive. Die von ihrem Star Gareth Bale angeführten Waliser glichen nach einer halben Stunde durch Kapitän Ashley Williams per Kopf aus (31.). Hal Robson-Kanu brachte die Mannschaft von Trainer Chris Coleman dann in der 55. Minute voran, ehe der eingewechselte Sam Vokes im Finish (86.) für die endgültige Entscheidung sorgte. Erst einmal zuvor - bei der WM 1958 in Schweden - hatte es Wales in die Runde der letzten acht geschafft, damals aber gegen den späteren Weltmeister Brasilien 0:1 verloren.

Belgien brachte sich am Ende großteils selbst verschuldet um die Chance auf das erste Endspiel seit der EM 1980. Dabei begannen die "Roten Teufel" vor fast heimischer Kulisse im nur 15 km von der belgisch-französischen Grenze entfernten Lille höllisch gut. Die Waliser wussten sich gegen die Angriffe des Favoriten kaum zu helfen. Bereits nach fünf Minuten sah der erste Brite Gelb, in der 7. Minute geriet das walisische Tor gleich dreifach in Beschuss.

Innerhalb weniger Augenblicke rettete Torhüter Wayne Hennessey gegen Yannick Carrasco, Verteidiger James Chester dann vor der Linie, ehe Eden Hazard den Ball über die Latte schoss. Bei der anschließenden Ecke segelte Romelu Lukaku knapp am 1:0 vorbei. Bei Wales konterte Bale mit einem Schuss ins Außennetz. Drei Minuten später war Belgiens verdiente Führung aber Wirklichkeit: Der bereits gegen Schweden sehenswert aus der Distanz erfolgreiche Nainggolan zog aus 27 Meter mit einem satten Schuss erfolgreich ab.

Österreichs kommender WM-Quali-Gegner war damit erstmals im Turnierverlauf in Rückstand. Davon beirren ließen sich die "Drachen" allerdings nicht. Zu Hilfe kam dabei der Gegner, der eklatante Schwächen in der Abwehr offenbarte. Die Ausfälle des verletzten Jan Vertonghen sowie des gesperrten Thomas Vermaelen machten sich bemerkbar. Bale attackierte bevorzugt über die schwächere linke Flanke der Belgier, auch im Zentrum stand der Zweite der FIFA-Weltrangliste ungeordnet.

Von 0:1 auf 3:1

Neil Taylor hätte schon ausgleichen müssen, der walisische Linksaußen platzierte den Ball aus elf Metern aber zu zentral. Thibaut Courtois im Tor der Belgier konnte mit einer Fußabwehr retten (26.). Kurz darauf war aber auch der Chelsea-Keeper machtlos. Der von einer Schulterverletzung genesene Williams stieg nach einem Eckball hoch und köpfelte fast unbedrängt ein. Für den Abwehrchef war es erst sein zweiter Treffer für die Nationalelf.

Bale hätte nach einem Alleingang fast noch nachgelegt, sein Abschluss mit seinem schwächeren rechten Fuß fiel aber zu harmlos aus. Das Remis zur Pause fiel aber dem Spielverlauf entsprechend gerecht aus. Belgiens Trainer Marc Wilmots hatte aber genug gesehen, mit Marouane Fellaini statt Carrasco sollte mehr Stabilität ins Spiel der Belgier kommen. Und die zweite Spielhälfte begann zunächst wie die erste - mit Chancen der Belgier.

Romelu Lukaku (48.) verfehlte das Gehäuse per Kopf ebenso knapp, wie Hazard (50.) mit einem Versuch aufs lange Eck. Es schien, als könne Belgien die Kontrolle über die Partie wieder zurückerlangen. Ein weiterer Patzer ebnete den Walisern aber die Führung. Der wie Williams in England geborene Robson-Kanu düpierte die belgische Abwehr mit einem Fersentrick, alleine vor Courtois hatte der Angreifer keine Probleme.

Belgien reagierte erst spät mit einer Schlussoffensive, in der Wales ein wenig Glück auf seiner Seite hatte. Fellainis Kopfball zog am Kreuzeck vorbei (74.), ehe die Belgier bei einem Vergehen an Nainggolan nicht unberechtigt einen Elfmeter reklamierten (83.). Auf der anderen Seite machte Vokes mit einem Kopfballtreffer dann alles klar. Einziger Wermutstropfen für die Waliser waren Gelbe Karten gegen den starken Aaron Ramsey und Ben Davies, das Duo wird gegen Portugal damit fehlen.

Belgien-Coach sprach auch nach dem Spiel nochmals die Ausfälle in der Defensive an: "Ich bin enttäuscht, wie alle in der Kabine. Wir hatten auf das Halbfinale gehofft und der Beginn des Spiels war perfekt. Aber Wales hat uns in der Abwehr Probleme bereitet. Unsere jungen Verteidiger waren unsicher, deshalb habe ich Fellaini gebracht. Das zweite Tor war dann tödlich. Ich bin Trainer und kein Zauberer. Wir können bestimmte Spieler nicht ersetzen."

Bei Wales überwiegt hingegen die Freude über den Einzug ins Halbfinale. Kapitän Ashley Williams meint: "Waren wir erschüttert, als wir zurückgelegen sind? Nein. Wir haben gut geantwortet, wir wussten um den Charakter dieses Teams. Ich hoffe, jeder genießt das zuhause. Wir freuen uns weiter und werden versuchen, bei unserem Spiel zu bleiben."

Wales-Coach Chris Coleman war selbstverständlich überglücklich: "Wir haben uns auf ein schwieriges Spiel eingestellt. Wir wollten zeigen, was wir können. Wir haben eine tolle Mannschaft, mit super Spielern, die immer kämpfen. Man soll nicht davor zurückschrecken, Träume zu haben. Von Belgien hatte ich mehr erwartet nach dem 1:0. Die Stimmung hier war ja wie in Brüssel."

Fußball-EM 2016, Viertelfinale:
Wales - Belgien Endstand 3:1 (1:1). Lille, Stade Pierre Mauroy, 46.000, SR Skomina/SLO.
Torfolge: 0:1 (13.) Nainggolan
1:1 (31.) A. Williams
2:1 (55.) Robson-Kanu
3:1 (86.) Vokes
Wales: Hennessey - Gunter, Chester, A. Williams, Davies, Taylor - Allen, Ledley (78. King), Ramsey (90. Collins) - Bale, Robson-Kanu (80. Vokes)
Belgien: Courtois - Meunier, Alderweireld, Denayer, J. Lukaku (75. Mertens) - Witsel, Nainggolan - Carrasco (46. Fellaini), De Bruyne, Hazard - R. Lukaku (83. Batshuayi)
Gelbe Karten: Davies, Ramsey (beide im Halbfinale gesperrt), Chester, Gunter bzw. Fellaini, Alderweireld
Die Besten: Ramsey, A. Williams, Bale bzw. Nainggolan