Im ersten Gruppenspiel am Montag (15.00 Uhr) gegen Tschechien in Toulouse wird man sehen, was "La Roja" wirklich drauf hat. Und ob die Truppe die Skandal-Schlagzeilen um Goalie David de Gea weggesteckt hat.
Für Vicente del Bosque ist der Titel "das Ziel, aber keine Verpflichtung". Der 65-jährige hochdekorierte Erfolgscoach könnte sich durch das ganz große Portal von der internationalen Bühne verabschieden, auch wenn sein Abgang noch nicht offiziell ist. "Wir sind nicht so vermessen zu sagen, dass wir hier gewinnen", sagt er.
Dass Spaniens Fußball erfolgreich ist, beweisen eindrucksvoll die Clubteams. Zugleich wurde dadurch aber auch die Vorbereitung erschwert: Erst im abschließenden Testspiel gegen Georgien waren die Profis der Champions-League-Finalisten Atletico und Real Madrid dabei - und dann setzte es noch ein peinliches 0:1. "Ich verstehe ja, dass man die Dinge diskutiert und kritisiert. Aber am Montag fangen wir mit einem Sieg gegen Tschechien an - und alles wird sich ändern", meinte Innenverteidiger Gerard Pique dazu.
Bereits vor dem ersten Spiel musste sich "La Roja" im Krisenmanagement üben: Torhüter De Gea ist in einen Skandal um einen Porno- und Zuhälterring verwickelt, auch wenn sich der 25-Jährige dagegen wehrte und von einer "Lüge" spricht. Der Fall könnte jetzt seinem Rivalen Iker Casillas zugute kommen. Der Kapitän, Rekordnationalspieler (167 Länderspiele/93 Gegentore) und fünffacher "Welttorhüter des Jahres" hat beim FC Porto eine durchwachsene Saison gespielt und seine beste Zeit wohl hinter sich.
Neben Casillas sind noch vier weitere Profis vom EM-Triumph 2008 in Wien dabei: Andres Iniesta, Sergio Ramos, Gerard Pique und David Silva. "Ich vertraue sehr meinen Altgedienten, die schon lange in der Auswahl spielen und den Neuen, die neue Impulse einbringen", sagte Del Bosque.
Zu den Turnier-Debütanten bei Spaniens zehnter EM-Teilnahme zählt auch Alvaro Morata. Und der Stürmer von Juventus Turin zeigt Selbstbewusstsein: "Ich denke, dass Spaniens letzte Spielergeneration Geschichte geschrieben und alles, was ging, gewonnen hat. Aber auch die nächste Generation ist ein Gewinnerteam."
Selbstbewusstsein muss sich der Gegner erst erarbeiten. Und die Hoffnungen gegen Spanien sind verschwindend gering. Sie ruhen bezeichnenderweise auf einem einzigen Mann: Tomas Rosicky. Der ist inzwischen 35 Jahre alt und höchst verletzungsanfällig. Ein komplettes Jahr spielte das große tschechische Idol aufgrund unterschiedlicher Blessuren nicht für Arsenal, der Vertrag lief aus. Zweifel an Rosicky gibt es in Tschechien deswegen aber noch lange nicht.
Trainer Pavel Vrba setzt bedingungslos auf seinen Altstar - mangels Alternativen. Trotz seines Alters ist Rosicky immer noch nahezu der einzige, der das tschechische Spiel schnell zu machen vermag. "Es war zu sehen, dass er in der Offensive Vorzüge hat wie kein anderer in unserem Team", sagte der tschechische Nationalcoach zum Ende der EM-Vorbereitung.
Vrba genügten drei Einsätze Rosickys für die Arsenal-Reserve zum Saisonende, um ihn in den Kader zu berufen und beim Nationalteam aufzupäppeln. Dennoch ist Rosicky längst noch nicht in Topform. "In der Defensive hapert es natürlich noch etwas, da muss er noch mehr zeigen", gestand Vrba, fügte jedoch hinzu: "Doch ich bin guter Dinge, dass auch das noch besser wird bei der EM."
Rosicky selbst bleibt mit all seiner Routine vollkommen gelassen. "Ich bin absolut in Ordnung. Ich freue mich riesig auf die EM", sagte der Dribbelkünstler. Die tschechische Legende und Ex-Rapidler Antonin Panenka befand: "Ich hoffe, dass unsere Mannschaft nicht enttäuschen wird und zumindest in die K.o.-Runde einzieht, um die Erwartungen der Fans zu erfüllen."