Jagd auf israelische Fußballfans mitten in der Innenstadt von Amsterdam. Am Donnerstag nach dem Europa-League-Spiel Ajax Amsterdam gegen Maccabi Tel Aviv wurden Fans des israelischen Anhangs am Hauptbahnhof von pro-palästinensischen Aktivisten angegriffen. Auf sozialen Medien kursieren Videos, wie auf am Boden liegende Menschen eingetreten wird und Autos Maccabi-Fans überfahren. Die Behörden kündigten an, die Täter „mit aller Härte“ verfolgen zu wollen.

Laut Angaben des israelischen Außenministeriums wurden einige israelische Fans in Amsterdam vermisst. In der Nacht zu Freitag stand daher eine Rettungsaktion der IDF nach Amsterdam im Raum, welche allerdings aufgrund innerisraelischer Kritik wieder abgesagt wurde. Nach israelischen Medienberichten sind inzwischen alle als vermisst gemeldeten Personen wieder aufgetaucht. Laut einer Bilanz der Polizei Amsterdam wurden bis zu 30 Personen verletzt, fünf davon wurden im Krankenhaus behandelt und sind mittlerweile entlassen worden.

Gänzlich unerwartet kam diese Eskalation aber nicht. Die Maccabi-Fans reisten bereits am Mittwoch an und sollen ihrerseits palästinensische Flaggen von Gebäuden entfernt und teilweise verbrannt haben. Daraufhin war es zu ersten Angriffen auf Maccabi-Fans gekommen, unter anderem am Casino von Amsterdam. Am Spieltag zogen die Maccabi-Fans dann mit einem Fanmarsch zum Stadion. Dabei wurden laut Videos in den sozialen Netzwerken auch Lieder zum Gaza-Krieg gesungen. So wurde beispielsweise „Lasst die IDF gewinnen und die Araber zerlegen“ angestimmt.

Ultras und Hooligans nicht involviert

Die organisierten Fangruppen (Ultras) der beiden Vereine waren an den Auseinandersetzungen nach bisherigen Erkenntnissen nicht beteiligt. Die Ultra-Gruppe von Maccabi Tel Aviv, die „Maccabi Fanatics“ sollen nach ersten Berichten über die Ausschreitungen nach dem Spiel vermummt versucht haben, andere Fans zu beschützen, weil die Polizei nicht vor Ort war. Zu einer direkten Konfrontation zwischen den „Fanatics“ und den pro-palästinensischen Aktivisten liegen derzeit aber keine Berichte vor. Damit ist die Gewalt am Mittwoch- und Donnerstagabend nicht auf ein übliches Scharmützel zwischen Ultras oder gar Hooligans zu schieben. Auch verbindet die beiden Fanszenen keine gewalttätige Vergangenheit.

Die Fanszene von Ajax Amsterdam ist nach derzeitigem Wissensstand zu keiner Zeit involviert gewesen. Sie gilt gemeinhin als israelfreundlich, insbesondere die Ultragruppe „VAK410“ (Sektion 410). Jüdische Symbole wie die israelische Flagge oder der Davidstern sind im Ajax-Stadion keine Seltenheit. Aufgrund dieser Nähe sind Ajax-Fans immer wieder mit antisemitischen Schmähgesängen von gegnerischen Fans konfrontiert. Einige Ajax-Fans bezeichnen sich wegen des jüdischen Images des Vereins als „Superjuden“. Das alte Ajax-Stadion lag in einem Stadtteil mit einer hohen jüdischen Bevölkerungsdichte, welche noch heute zu einem hohen Anteil von jüdischen Fans beiträgt. Zusammen mit der Fanszene von Tottenham Hotspur ist Ajax Amsterdam damit einer der wenigen Fanszenen im europäischen Topfußball, die als pro-jüdisch gelten.

Ajax-Fans zeigen oft israelische Fahnen oder jüdische Symbole im Fan-Sektor
Ajax-Fans zeigen oft israelische Fahnen oder jüdische Symbole im Fan-Sektor © Imago/Reporters

Die „Maccabi Fanatics“ hingegen sind dem politisch rechten Spektrum zuzuordnen. Sie haben sich innerhalb Israels immer wieder anti-palästinensische im Stadion geäußert und liefern sich eine Fehde mit den Fans des als politisch links konnotierten Stadtrivalen Hapoel Tel Aviv.

Fanszenen in Israel

In Israel sind die Fanszenen der Vereine teilweise klaren politischen Spektren zuzuordnen. „Maccabi Fanatics“ sind dabei aber weniger auffällig. Hier spiegelt sich eher der rechtsnationale politische Diskurs innerhalb Israels wider. Anders verhält es sich mit dem Stadtrivalen Hapoel Tel Aviv. Diese gelten als links und lehnen teilweise sogar den Staat Israel ab. Daher finden sich in deren Fansektoren entgegen israelischer Traditionen selten Israelfahnen. Hinzu kommt ein gemischtes Publikum aufgrund der Lage des Vereins. Beheimatet in Jaffa, dem alten palästinensischen Stadtteil von Tel Aviv, enthält die Kurve unterschiedliche Kulturen und bildet damit auch das Multikulturelle der Stadt Tel Aviv ab. Durch einen sportlichen Abstieg in die Tristesse in die zweite israelische Liga am Ende der vergangenen Saison hat der Verein aber zumindest sportlich nicht mehr viel mitzureden. 

In der Hauptstadt Jerusalem ist der Verein Beitar Jerusalem beheimatet. Der Lieblingsverein von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und dem rechtsradikalen Sicherheitsminister Ben-Gvir hat auch eine rechtsextreme Fangruppe, „La Familia“. Diese fällt immer wieder negativ mit abwertenden Gesängen gegenüber Palästinenserinnen und Palästinenser auf. In der Vergangenheit wurde auch das eigene Vereinsmuseum aufgrund von Transfers von zwei muslimischen Spielern mit Molotowcocktails beworfen. Grundsätzlich hat der Verein Zulauf von Mizrachim, also jüdischen Menschen aus arabischen Ländern und gilt innerhalb Israels als Symbol der Rechten.

Für Aufsehen sorgen in Israel immer wieder die Fans des Vereins Bnei Sakhnin, ein Verein aus einem arabischen Dorf im Norden Israels. Sie gelten als einziger Verein der ersten israelischen Liga als pro-palästinensisch. Dabei zeigen sie immer wieder Palästina-Fahnen, drehen dem Spielfeld während der Hymne den Rücken zu und stören Schweigeminuten. 

Nahost-Konflikt immer wieder in europäischen Stadien präsent

Der Nahost-Konflikt schlägt sich immer wieder in den Fußballstadien Europas nieder. In Deutschland betreiben etwa die Fanszenen der Bundesligisten FC St. Pauli und Werder Bremen Fanfreundschaften mit israelischen Klubs. So gab es nach der Ermordung des israelischen Ultra Hersh Goldberg-Polin, eines der Entführungsopfer vom 7. Oktober 2023, von Hapoel Jerusalem durch die Hamas große Anteilnahme der Werder-Fans. Immer wieder hatten sie nach dem Hamas-Überfall auf Israel den Slogan „Bring Hersh Home“ gezeigt. Die Fanfreundschaft zwischen Hapoel Jerusalem und Werder Bremen besteht schon jahrelang. Auch mit den anderen Geiseln solidarisierte sich die Fanszene in Bremen wiederholt.

Die Fans des FC St. Pauli betreiben eine Freundschaft mit dem Stadtrivalen von Maccabi Tel Aviv, Hapoel. Nach dem 7. Oktober kam es unter anderem auch deshalb zu Zerwürfnissen mit den Fans von Celtic Glasgow und einigen internationalen Fanklubs. Die Kurve von Celtic Glasgow unterstützt ihrerseits den palästinensischen Freiheitskampf und zieht Parallelen zum eigenen Streben Schottlands nach Freiheit und Unabhängigkeit von England. Auch die Ultras von Paris Saint Germain zeigten sich wiederholt pro-palästinensisch.