Ausgerechnet Red Bull? In Dortmund und Liverpool prägte Jürgen Klopp Ären von zwei Klubs, die sich als Traditionsvereine mit ganz viel echter Liebe positionierten. Für Anhänger von diesen oder ähnlich geprägten Klubs verkörpert Red Bull stellvertretend alles Böse, das die Fußballwelt zu bieten hat. Zu viel Kommerz, zu viel Emporkömmling, zu viel Kunstprodukt im Namen der Dose.
Vorgänger Ralf Rangnick: „Spannend, komplex, zeitintensiv“
Ausgerechnet dort hat ab 1. Jänner 2025 Jürgen Klopp das Sagen. Als Head of Global Soccer verantwortet er in Zukunft die fußballerischen Agenden des österreichischen Konzerns. „Das ist sicherlich die stärkste Verpflichtung in der Fußballhistorie von Red Bull“, jubelt Red-Bull-CEO Oliver Mintzlaff. Eine starke Ansage, wenn man bedenkt, welch richtungsweisenden Einfluss auf die Entwicklung dieses Projekts ab 2012 der heutige ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick hatte.
In der Spätphase seiner Tätigkeit bei Red Bull übte der 66-Jährige ab Sommer 2019 ein Jahr lang jenen Job aus, den Klopp nun antritt. „Im Umfeld von Leipzig war das Gerücht schon länger im Umlauf, insofern hat es mich nicht überrascht“, meint Rangnick zu Klopps Bestellung und spricht von einer „spannenden, komplexen und zeitintensiven Aufgabe“. Er habe an den verschiedenen Standorten die Kaderplanung begleitet und für Austausch zwischen den Klubs gesorgt. Was konkret mit Klopp vereinbart sei, entzieht sich Rangnicks Kenntnis.
Von der fußballerischen Idee und der Freude an der Entwicklung von Talenten sollten Klopp und Red Bull gut zusammenpassen. „Das Ganze ist eine Fußballidee und keine Geldidee“, sagte Klopp schon vor zwei Jahren, damals noch als Liverpool-Coach, über die Herangehensweise von Red Bull und erläuterte, dass das Gehaltsbudget in Leipzig keinen Deut höher als in München oder Dortmund sei.
„Ich sehe meine Rolle in erster Linie als Mentor für die Trainer und das Management der Red-Bull-Klubs“, meint Klopp und freut sich, „die unglaublichen Fußballtalente, die uns zur Verfügung stehen, entwickeln, verbessern und unterstützen zu können.“ Dies geschieht vordergründig bei folgenden fixen Standorten in der Red-Bull-Fußball-Welt, zusätzlich hält RB auch Anteile an Leeds United und agiert als Sponsor bei Torino.
FC Red Bull Salzburg: 2025 feiert das Fußballengagement von Red Bull bereits den 20. Geburtstag. Die Art und Weise, wie Traditionsklub Austria Salzburg übernommen und umgefärbt wurde, ließ die Wogen noch Jahre nach 2005 hochgehen. Auch wenn die „Bullen“ vergangene Saison titellos blieben, muss man über das finanzielle und (meistens) sportliche Nonplusultra im österreichischen Fußball nicht lange diskutieren. 14 Meistertitel seit dem Einstieg von Red Bull sprechen für sich. Zudem etablierte man sich Hand in Hand mit „Partnerverein“ FC Liefering im letzten Jahrzehnt als Sprungbrett für Talente, was unter anderem einen späteren Weltstar wie Erling Haaland in die Bundesliga lockte. Eine gute Nachricht ist Klopps Bestellung für Pep Lijnders, der in Liverpool lange Jahre als Co-Trainer des Deutschen diente und mit ihm befreundet ist. Trotz der aktuellen Schwächephase sind die Diskussionen über seine Person nun vermutlich erledigt.
RB Leipzig: Die Anfänge gingen noch eher unscheinbar über die Bühne. Für die Saison 2009/10 übernahm Red Bull das Startrecht des Fünftligisten SSV Markranstädt. Nach einem schleppenden Start ging es spätestens mit dem Einstieg Rangnicks 2012 steil bergauf. Binnen vier Jahren gelang der Aufstieg aus der viertklassigen Regionalliga in die deutsche Bundesliga. Fußballtraditionalisten ist „RasenBallsport“, wie der Verein an Anspielung auf das Kürzel RB offiziell heißt, nach wie vor ein Dorn im Auge. Sportlich hat man sich im Kreis der deutschen Fußballelite etabliert, auch wenn der ganz große Wurf, sprich der Meistertitel, noch nicht gelang. Dafür triumphierte Leipzig 2022 und 2023 im DFB-Pokal, zudem ist man inzwischen regelmäßiger Teilnehmer an der Champions League.
New York Red Bulls: Ab 2006 wollte Red Bull den US-amerikanischen Fußballmarkt erobern. Sieht man vom dreimaligen Gewinn des Supporters Shield für das punktbeste Team nach der regulären Saison ab, ist die Visitenkarte noch frei von Erfolgen. Titel konnte die Filiale im „Big Apple“ noch keinen gewinnen. Auch am Transfermarkt blieben in beide Richtungen finanzielle Paukenschläge aus. Rekordabgang ist immer noch Jozy Altidore, der im Sommer 2008 für 7,27 Millionen Euro zum FC Villarreal übersiedelte. Der Steirer Markus Schopp gehörte 2006 zu den ersten New Yorker „Bullen“, mit Ernst Öbster und Daniel Royer kickten weitere ÖFB-Legionäre für das Team. Mit Gerhard Struber ziert ein Österreicher auch die Trainerliste. Für den späteren Salzburg- und Leipzig-Coach Jesse Marsch war es das Sprungbrett nach Europa. Aktuell kann sich Klopp mit seinem Landsmann Sandro Schwarz als Trainer austauschen.
Red Bull Bragantino: Nachdem das Vorgängerprojekt Red Bull Brasil nicht den gewünschten Erfolg mit sich brachte, stieg der Konzern 2019 bei Clube Atletico Bragantino ein. Nach dem Aufstieg in die höchste Spielklasse wurde der Klub offiziell in Red Bull Bragantino umbenannt und auch das Wappen im Red-Bull-Design angepasst. Von florierendem Spielerhandel mit dem europäischen Vereinsfußball kann man noch nicht sprechen. Im Sommer 2023 übersiedelte Natan immerhin um zehn Millionen Euro zu Napoli. Rekordverkauf ist Helinho, der im September um 13,5 Millionen Euro nach Mexiko zu Toluca wechselte.
Omiya Ardija: Der japanische Drittligist wurde im August das jüngste Mitglied des Fußballimperiums. Mintzlaff sprach anlässlich der Übernahme des in Saitama beheimateten Klubs von einer „strategisch wichtigen Region“, um die das Portfolio erweitert wurde: „Der japanische Fußball hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt und viele Spitzentalente hervorgebracht.“ In der höchsten Spielklasse war der Verein letztmalig 2017 vertreten. Der Weg zurück lässt sich gut an. Als Tabellenführer der dritten Liga beträgt der Vorsprung auf den ersten Verfolger 16 Punkte. Wie sich der Spitzname „Eichhörnchen“ mit den „Bullen“ verträgt, wird sich weisen.