Der deutsche Rekordnationalspieler Lothar Matthäus sieht das österreichische Fußballnationalteam im Vergleich zur DFB-Auswahl derzeit im Vorteil. „Als Mannschaft sind die Österreicher zum jetzigen Zeitpunkt ein bisschen voraus, was die Abläufe und Abstimmung auf dem Platz betrifft“, sagte der Weltmeister von 1990 am Montag im APA-Interview beim Breakfast Club von „sportsbusiness.at“ vor dem nachbarschaftlichen Testspiel am Dienstag (20.45 Uhr/ORF 1) in Wien.

In der Favoritenrolle beim Leckerbissen zum Jahresabschluss im Ernst-Happel-Stadion sieht Matthäus aber die Gäste. „Deutschland ist eigentlich immer der Favorit. Die Mannschaften sind aber trotzdem sehr eng zusammen“, sagte der frühere Rapid-Trainer. Österreich müsse sich nicht verstecken. „Sie haben schon gegen große Mannschaften gewonnen oder ihnen heiße Kämpfe geliefert“, betonte Matthäus und blickte auf die Euro 2024 in Deutschland. „Ich gehe davon aus, dass die Österreicher eine gute Rolle spielen können.“ Nachsatz: „Wenn alles funktioniert und die wichtigen Spieler auch präsent sind.“

„Richtiger Trainer“ für Österreich

Auch Teamchef Ralf Rangnick sei laut Matthäus der „richtige Trainer“ für die ÖFB-Elf. „Die Spieler kennen den Spielstil, den Rangnick spielen lassen will, aus dem Effeff.“ Auch der rot-weiß-rote Kader überzeugt den Weltfußballer von 1991, dieser sei mit mehreren „Unterschiedsspielern“ gespickt. „Die Mannschaft ist sehr gut aufgestellt. Der Trainer hat Optionen, die man ohne Bedenken und ohne großen Qualitätsverlust bringen kann“, sagte der 62-Jährige, der sich als Fan von Leipzig-Legionär Christoph Baumgartner outete.

Deutlich brisanter ist die fußballerische Lage derzeit in Deutschland, knapp sieben Monate vor dem Heimturnier. Am Samstag kassierte die DFB-Elf eine 2:3-Niederlage gegen die Türkei. „Die deutsche Mannschaft hat aber auch die Qualität, nach einer Niederlage eine Reaktion zu zeigen. Wir brauchen gute Ergebnisse, um wieder eine gute Stimmung im Umfeld zu schaffen und die Fans zu begeistern“, sagte Matthäus. Denn Erfolge sind in der jüngsten Vergangenheit eine Seltenheit geworden.

Keine Erklärung

Auch deshalb ersetzte kürzlich Julian Nagelsmann den glücklosen Bundestrainer Hansi Flick, gegen die Türkei experimentierte der Ex-Bayern-Coach mit Angreifer Kai Havertz als Linksverteidiger. „Ich habe nichts dagegen, wenn man was ausprobiert. Aber wenn man nur mehr so wenige Spiele zur Vorbereitung hat und nach Dauerlösungen sucht, kann das auf Dauer keine Lösung sein“, sagte Matthäus. „Havertz ist eben kein Linksverteidiger, er hat im Defensivbereich seine Defizite.“

Die andauernde Erfolglosigkeit sei eine Sache, die laut Matthäus fast nicht zu erklären ist. „Die Qualität der einzelnen Spieler ist vorhanden. Jetzt muss der Trainer diese Qualität auch kompakt auf den Platz bringen“, analysierte Matthäus. „Wir haben alle Voraussetzungen, ein Sommermärchen zu schreiben. Es fehlt mir nur die mannschaftliche Geschlossenheit und Kompaktheit. Dann kommt wieder die gewisse Spielfreude, die eine Mannschaft braucht, um Titel zu gewinnen. Wenn sie gut spielt und sie kommt ins Halbfinale, ähnlich wie bei der WM 2006, dann sollten wir sehr zufrieden sein.“