Es war ein kurioses Bild, als die Nationalhymnen in Brighton abgespielt wurden. Anna, die Verlobte von ÖFB-Teamkapitänin Viktoria Schnaderbeck, stand da im Trikot ihrer Liebsten, mitten im Österreich-Fanblock und die rot-weiß-rote Flagge auf die Wange geschminkt. Als Norwegerin sang sie bei der norwegischen Hymne natürlich lautstark mit. Mit Anpfiff fieberte sie aber so wie der Großteil der 12.667 Fans im Brighton Community-Stadion mit den Österreicherinnen mit. Angepeitscht von Papa Wienroither, dessen Tochter Laura nach einer überstandenen Corona-Infektion gleich wieder in der Startelf stand, entwickelte sich auf den Tribünen von Anfang an ein stimmungsvolles Duell. Auf dem Spielfeld musste Norwegen von Anfang an auf einen Treffer drücken, nur ein Sieg hätte ihnen das EM-Viertelfinal-Ticket beschert. Österreich war es aber, das spielerisch Akzente gesetzt hatte. Laura Feiersinger scheiterte in der zwölften Minute nur an der Latte, beim versuchten Nachschuss wurde Nicole Billa heftig am Kopf getroffen und musste behandelt werden.
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Die norwegische Super-Offensive um Champions-League-Rekordtorschützin Ada Hegerberg hatte wenig zu melden. Weil Österreich den Norwegerinnen auch gar nicht so oft den Ball überließ, wie es viele vielleicht erwartet hätten. Stattdessen jubelte die ÖFB-Auswahl in der 37. Minute. Ausgerechnet die in den vergangenen Spielen in der Offensive oft alleine gelassene Billa, und ausgerechnet mit dem Kopf, traf sie zum 1:0. "Wahnsinn, ich kann es noch immer nicht glauben", sagte sie nach dem Spiel. "Es waren 90 harte Minuten, wir haben alles investiert. Es ist geil. Wir wollten nicht auf Unentschieden spielen, sondern auf Sieg und das hat man von Anfang an gesehen. Wir haben uns gut vorbereitet, unser Teamgeist steht über allem."
Das Tor zum Viertelfinale, es stand für Österreich zur Pause weit offen. Der immer mit etwas grimmigem Blick ausgestattete Norwegen-Trainer Martin Sjögren wird in der Halbzeitansprache nicht viele lobende Worte gefunden haben. Nach dem 0:8-Debakel gegen England wollte man vor allem offensiv eine Reaktion zeigen. Das wusste die starke österreichische Defensive aber auch im zweiten Durchgang großteils zu verhindern.
Jetzt wartet Deutschland: "Geil, oder?"
Davon angetan dürften auch die britischen Jugendgruppen gewesen sein, die sich auf einer Hintertor-Tribüne versammelt hatten. Aus den „Norway, Norway“-Rufen wurden mit Fortdauer der Partie immer mehr „Austria, Austria“-Fangesänge. Nach 55 Minuten ging auch erstmals die Welle durchs Stadion. Gegen den Uhrzeigersinn, nicht wie in Österreich üblich im Uhrzeigersinn. Aber hier fahren die Autos ja auch auf der „falschen“ Straßenseite. Sei’s drum.
Am Ende feierten die Österreicherinnen den – nach diesem Spiel – mehr als verdienten Viertelfinaleinzug. Weil sie erst offensiv mutig agierten und Manuela Zinsberger den Sieg in der Schlussphase festhielt. Noch nie, bis zu diesem 15. Juli 2022, konnte man das norwegische Spitzenteam besiegen. Für diese Premiere hätte man sich keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können.
"Wir sind überglücklich, in der ersten Halbzeit war es eine fantastische Leistung", sagte Trainerin Irene Fuhrmann. "Es ist noch etwas unrealistisch, es wieder geschafft zu haben." Billa und Co. haben nun ein paar Tage Verschnaufpause, ehe das Viertelfinale am 21. Juli über die Bühne geht. "Morgen genießen wir einen freien Tag und dann bereiten wir uns auf Deutschland vor." So heißt nämlich der Gegner am kommenden Donnerstag in Brentford. "Geil, oder?", meinte Billa. "Besser geht's nicht."