Ein Unbedarfter könnte diese Euro für eine Handballmeisterschaft halten. Zuerst gab es strittige Hand-Entscheidungen, weil das handverlesene Regelwerk etwas hanebüchen und handgeschnitzt ist, dann formten die Türken ihre Hände kollektiv zum Schweigefuchs und zeigten, was sie davon hielten, pfiffen so enervierend wie Fleischgewordene Vuvzelas, womit sie wenig Sympathien gewannen.
Aber egal. Am Ende haben eh fast alle verloren. 23 Teams, die es nicht geschafft haben, 23 Länder, die mit den Schiedsrichtern hadern, mit nicht gegebenen Elfern, Verletzungspech, der deutschen Küche, dem Wetter oder was immer. Nein, stimmt nicht. Georgien und die Schweiz haben gewonnen – Anerkennung und Respekt. Auch Österreich. Spieler wie Xavi Simmons, Nico Williams, ein Name wie aus einem Formel-eins Rennen, oder der vereinslose Adrien Rabiot haben sich in die Auslage gespielt. Natürlich Lamine Yamal, an dessen Fuß der Ball ja mal klebt wie ein Honigbrot auf einem Laminatboden.
Ein paar Stars haben wir vielleicht das letzte Mal gesehen. N‘Golo Kante, der nicht mehr die ganze Erdkugel abdeckt, wiewohl er immer noch fantastisch ist. Thomas Müller, dieser Karl Valentin des Fußballs, hat seinen Rücktritt aus dem Nationalteam bekanntgegeben. Luka Modric, auch wenn dem bald 39jährigen zuzutrauen ist, noch als gichtgeplagter Flattergreis die Bälle im kroatischen Mittelfeld zu verteilen. Ronaldo? Der dauerwachelnde Superstar hat an ein Schulkind erinnert, das unbedingt das Einmaleins aufsagen will, nicht mitbekommen hat, dass es längst um Gleichungen mit zwei Unbekannten geht. Der einstige Gott war für Portugal eine konstante Bürde, selbst seine mit genauer Schrittfolge abgemessenen Freistöße landeten im Nirvana. Sogar einen Elfer hat er tränenreich vergeigt. Toni Kroos hinterlässt in Deutschland eine Lücke – so groß wie das Loch, in das Italien gefallen ist. Virgil van Dijk? Arnautovic? Der österreichische Beinahe-Ibrahimovic kann immer noch das Außergewöhnliche machen, macht es aber für gewöhnlich außergewöhnlich selten.
Für mich war die Szene dieser EM der in Alberto Morata grätschende deutsche Ordner, der einem Selfiejäger hinterher war. Wo führt das hin? Früher haben Flitzer ihre Blöße der Welt gezeigt, heute ist es ihre geistige Nacktheit, schamlos für einen unsozialen Medienkanal gefaktes Leben zu inszenieren. Da das Fernsehen diese Verfolgungsjagden nicht zeigt, werden wir en passant auf das vorbereitet, was uns nun posteuratisch blüht, das Nichts, die ereignislose Leere, Langeweile. Nein, denn schon rollt die Tour, bald beginnen Meisterschaften, die WM-Quali, vorher kommt Paris und dann schreien sie wieder: Wir fahren nach Berlin, das 2026 New Jersey heißt. Amerika, wir kommen.