Die unzufriedenen Mienen in England haben sich ganz plötzlich in Luft aufgelöst. Gareth Southgates 102. Spiel an der Seitenlinie ist ein besonderer Meilenstein für ihn, denn England sicherte sich unter dem „Three Lions Boss“ sein drittes Halbfinale bei vier Turnierteilnahmen mit Trainer Southgate. Achtung! Davor war die stolze „English Football Association“ zwei Jahrzehnte auf der Suche nach Erfolg und blieb bei vielen Endrunden weit früher auf der Strecke. Auf dem Weg ins Halbfinale sind nun etliche englische Fans im Glauben konvertiert. Das Stimmungsbarometer kippte nach dem Elfmeterschießen gegen die Schweiz. „The Three Lions“ waren zwar weiter nicht überzeugend, aber ganz ehrlich: Wen interessiert das jetzt noch in „good old England“?

Es ist an der Zeit, die königliche EM-Fahrt zu genießen, denn es wartet ein Titel zum Abholen, und zwar gleich ums Eck. Die Mannschaft hat sich durch die internationale Kritik gefunden und in entscheidenden Phasen sehr starken Charakter und Mentalität gezeigt. Fünf Bilderbuch-Elfmeter hat man ja schon lange nicht mehr von einer englischen Mannschaft gesehen, Harry Kane und sein Team können nun etwas befreiter Durchatmen. Apropos Atmen: Hinter den Kulissen arbeitete das Team mit Visualisierung, Meditation und Atem-Übungen. Das englische Trainerteam installierte einen Atem-Trainer für die Europameisterschaft, knoblauchhaltige Speisen wurden zudem wahrscheinlich aus dem Menüplan gestrichen. Brachte das vielleicht den entscheidenden Vorteil?

Die Engländer haben sicherlich nicht ihr Spielsystem neu erfunden, aber sich mit ein paar wertvollen psychologischen Methoden einen kleinen mentalen Vorteil verschafft. Nicht umsonst besticht das Team darin, mit viel Überzeugung und Teamgeist auch nach Rückschlägen wieder zurückzukommen. Ronny Koeman wiederum wird sich über seine Aufstellung nicht den Kopf zerbrechen. Die steht nämlich so gut wie fest. Vorne wirbeln wieder Gakpo und Depay von Beginn an, Weghorst kommt in der zweiten SPielhälfte. Auch dieser Mann ist stark mit dem und wohl auch im Kopf. 

Johnny Ertl (41), Ex-Fußballer mit Stationen bei Sturm, Austria Wien, Crystal Palace, TV-Experte, Forstwirt, Unternehmer

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