Vier Topfußballnationen stehen in den Halbfinalspielen. Die Niederländer hätte ich nicht zwingend da erwartet, aber England, Spanien und Frankreich wurden ihrer Favoritenrolle gerecht. Was mich mehr überrascht, sind die Spielweisen. Frankreich und England sind fußballerisch hinter den Erwartungen geblieben. Aber sie haben die Ergebnisse geliefert. Und in einem Turnier zählt genau das. Die Spanier haben mich bislang am meisten überzeugt. Sie dominierten die Vorrunde und das Achtelfinale. Auch gegen Deutschland zeigten sie eine stabile Leistung und eliminierten den euphorisierten Gastgeber.

Interessant zu beobachten ist, dass alle Halbfinalisten in einem 4-3-3 agieren. Der Trend, drei offensive Akteure mit hohem Tempo und guten Dribblingfähigkeiten aufzubieten, wird von den verbliebenen vier Nationen verfolgt. Je nach Matchplan wird im Mittelfeld mal mit defensiverer, mal mit offensiverer Ausrichtung oder Personal gespielt. Frankreich hat bisher sehr passiv und tief agiert. Das erwarte ich auch gegen Spanien nicht anders. Alles ist darauf ausgelegt, über Umschaltsituationen die drei offensiven, blitzschnellen Spieler in Position zu bringen, um hinter die letzte Kette stoßen zu können. Spanien hingegen ist geschwächt. Die Ausfälle von Pedri und Dani Carvajal schmerzen. Mit Dani Olmo gibt es aber einen Pedri-Ersatz auf Weltklasse-Niveau. Carvajal fehlt jedoch als erfahrenster Spanier und Kapitän. Es wird spannend zu sehen sein, wie die Iberer seinen Ausfall als aggressiver Führungsspieler gegen Kylian Mbappé kompensieren können. Die „Furia Roja“ wird sich aber dennoch nicht hinten hineinstellen, was wiederum für die Franzosen eine Chance sein kann, Riesenräume vorzufinden.

Zwischen England und der Niederlande stellt sich die Frage, wer das Spiel machen kann und will. Die Oranje hatte zuletzt nur phasenweise Spielkontrolle. Außerdem sind die Niederländer bei Standardsituationen anfällig, was die Engländer mit ihrer Physis nützen könnten. Offensiv waren die „Three Lions“ sehr genügsam – gemäß dem Sprichwort „Ein gutes Pferd springt nur so hoch, wie es muss“. Sie haben nur etwas gemacht, wenn sie mussten. Die Lebensversicherung Jude Bellingham ist aber eine, die jeder gerne hätte. Gegen die stabile Defensive der Engländer wäre ein Startelfeinsatz von Stürmer Wout Weghorst eine gute Alternative. Er hat als Joker in jedem Spiel die Statik als auch das Momentum mit seiner Präsenz und Gier verändert und kann dem Gegner mit jeder Aktion wehtun.

Ich freue mich auf spannende Spiele, wenngleich es in den K.o.-Duellen bisher nicht allzu viele Tore gab. Ich erwarte erneut knappe Partien und würde mich nicht wundern, wenn Standardsituationen den entscheidenden Ausschlag geben.