Nichts für schwache Nerven ist dieses Viertelfinale der EM-Endrunde. Schon das Spiel Deutschland gegen Spanien veranlasste mich dazu, im Internet nachzurecherchieren, welche Nacht-Apotheke in Graz Baldriantropfen lagernd hat und auch außerhalb der Geschäftszeiten verkauft. Das altbewährte Heilkraut soll bei leichter Anspannung beruhigend wirken. Keine Chance – das vorgezogene Finale zwischen Deutschland und den Spaniern beschäftigte mich trotz Baldrian noch länger. Dazu kamen Querlattenschüsse in der Nachspielzeit, viel Drama und unglaubliche Dramaturgie, Elfmeter-Krimis bei anderen Partien.

So richtig zum Staunen Staunen brachte mich aber ein Spanier mit dem klingenden Namen Merino. Dieser hat nichts zu tun mit hochwertigen Wolltextilien, sondern mit einer ganz besonderen Geschichte. Mit seinem Tanz um die Eckfahne und dem anschließenden Schrei in die Stuttgarter Nacht erinnerte er an seinen Vater Angel Merino, der an exakt derselben Stelle vor 33 Jahren ebenso feierte. Damals war Angel bei CA Osasuna engagiert und hatte im UEFA-Pokal für die Spanier nach 17 Minuten zum 2:0 gegen den VfB getroffen. Und gejubelt, wie sein Sohn im EM-Viertelfinale.

„Angels“ brauchten wieder mal meine Engländer, und Baldrian hat mir da auch nicht mehr geholfen, um Ruhe zu bewahren. Bukayo Saka mit einem sehenswerten Abschluss sehr wohl; staubtrocken, flach ins linke Eck, wie ein Routinier rettete er die „Three Lions“ aus höchster Not, dazu sein kühl verwandelter Elfmeter – damit haben sich wohl sämtliche „Penaltygeister“ von Wembley 2021, als er verschoss, in Luft aufgelöst. „Business as usual“ also für Gareth Southgate und Co. Schlecht gespielt, aber wie wahre Meister nach Rückstand zurückgekommen.

Johnny Ertl (41), Ex-Fußballer mit Stationen bei Sturm, Austria Wien, Crystal Palace, TV-Experte, Forstwirt, Unternehmer

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