Grundordnung: Die Türkei agiert in einem 4-2-3-1 mit dem Ball, gegen den Ball wird es ein flaches 4-4-2.
Spiel gegen den Ball: Die Türken agieren sehr mutig. Sie versuchen, sehr hoch Druck auf den Gegner auszuüben. Im Angriffspressing versuchen sie, bereits den ersten Ball zu attackieren, und laufen mit hoher Intensität an. Ein Blick auf die Daten von „Strykerlabs“ der drei Gruppenspiele verdeutlicht das. Österreich ist in der sogenannten PPDA (Passes per defensive action)-Statistik, die die Anzahl der Pässe ausweist, die eine Mannschaft in Ballbesitz spielt, bevor ihnen der Ball vom Gegner abgenommen wird, auf Platz eins (8,1). Die Türken liegen mit einem Wert von 10 auf Platz vier nur knapp dahinter. Diese Aggressivität bringt mit sich, dass der gesamte Block sehr hochsteht. Das birgt auch ein hohes Risiko. Mit dem Wissen, dass hinter der letzten Linie ein sehr großer Raum entsteht, begehen die Türken auch gerne taktische Fouls, um das Durchbrechen des Gegners in die Tiefe zu verhindern und Konter zu unterbinden.
Spiel mit dem Ball: Die türkische Mannschaft ist sehr ballsicher und strahlt Kreativität und Spielfreude im Positionsspiel aus. Sie agieren sehr variabel. Die Offensive tauscht häufig die Positionen. Die Außenverteidiger sind stets nach vorne orientiert und hinterlaufen den offensiven Flügelspieler. Daher sind die Türken im Ballbesitz unabhängig von Mustern und lassen ihren Individualisten viele Freiheiten. Nach Ballverlust birgt diese Unordnung jedoch Angriffsfläche für Umschaltsituationen des Gegners.
Schlüsselspieler: Die Ausfälle von Abwehrchef Samet Akaydin und Kapitän Hakan Calhanoglu, dem Denker und Lenker der Mannschaft von Teamchef Vincenzo Montella, schmerzen extrem. Aber auch Merih Demiral ist ein überragender Innenverteidiger. Arda Güler von Real Madrid wird der nächste Superstar der Türkei, wenn er es nicht schon ist. Er hat eine überragende Technik, glänzt mit einem blitzschnellen Tempodribbling und schließt auch hervorragend ab. Kenan Yildiz von Juventus kann sich auf engstem Raum durchsetzen. Da gilt es viel an individueller Qualität und Spielfreude für die Österreicher zu verteidigen.
Fazit zum Achtelfinale: Es wird ein Duell von zwei sehr aktiven Mannschaften, die sowohl gegen als auch mit dem Ball ganz klar wissen, was sie machen wollen. Beide Nationen spielen ein hohes Pressing und wollen den Ball früh gewinnen. Wer das besser macht, wird zu den besseren Chancen kommen. Wie gegen die Niederlande gilt es, die individuelle Klasse im Kollektiv so gut zu verteidigen. Ein Team wie Österreich, das gegen den Ball derart aggressiv agiert und durch schnelles Umschalten zu Torchancen kommen will und kann, stellt für die Türken ganz sicher eine Gefahr dar. Das haben sie auch beim 6:1-Sieg der Österreicher im Test in Wien schmerzvoll erfahren müssen.
Julian Baumgartlinger