Hätte Antoine Griezmann im Halbfinale der WM 2018 in Russland den Ball in der Nachspielzeit nicht versemmelt, wäre schon damals mein Künstlername aufgebacken worden: Fran 2:0 Bel. So musste ich sechs Jahre warten, bis sich wieder Gelegenheit dazu ergibt. Von den damaligen Mannschaften sind die Achsen unverändert: Hernández, Kanté, Mbappé, Giroud und eben Griezmann aufseiten der Gallier; Vertonghen, De Bruyne, Lukaku bei den Belgiern. Neu sind die Torleute: Hugo Lloris spielt mittlerweile in Los Angeles, und Thibaut Courtois, der höfliche Theobald, immerhin aktueller Champions-League-Sieger, machte einen auf beleidigte Leberwurst, weil ihn der Trainer nicht zum Ersatzkapitän nominierte. Als Konsequenz darf er jetzt zu Hause schmoren. Belgien spielt ohne Witsel, Fellaini, Hazard, hat dafür einen Doku. Bei den Franzosen gibt es keinen Pogba mehr, dafür Camavinga, Dembélé, Fofana. Begeistert haben bislang alle nicht, seit Mbappés Pfrnak an Dansos Schulter-Klippen zerschellt ist, herrscht im französischen Sturm Tristesse bonjour, während Lukaku am besten Weg zum Torschützenkönig ist, aber nur bei den nicht gegebenen Treffern. Lukaku vs. VAR 0:3.
Grande Nation gegen die österreichischen Niederlande, das ist wie Zwiebelsuppe gegen Moules frites, Bordeaux gegen Bier in Likörgläsern, Serge Gainsbourg versus Jacques Brel, Monet gegen Magritte, Asterix kontra Tim und Struppi. Frankreich hat mit der Aufklärung und der Revolution die europäischen Werte geprägt, um sie gleich in einem unvorstellbaren Blutbad zu ertränken. Die Podien der Guillotinen waren derart besudelt, dass sogar Henker ausgerutscht sind und sich das Genick gebrochen haben. Doch die Belgier stehen in Sachen Grausamkeit in nichts nach. Was König Leopolds Schergen auf den Kautschukfarmen im Kongo angerichtet haben, zählt zu den traurigsten Kapiteln der Menschheit.
Frankreich ist der Wiener Reumannplatz in groß
Frankreich ist ein Land voller Raffinesse und Eleganz. Malerei, Musik, Literatur und Küche, überall hat man Formidables erreicht. Eine Republik mit liberalen Bürgern, die für ihre Werte auf die Straße gehen und Resistance im Blut haben. Umso bedauerlicher, dass gerade dort mit dem Rassemblement National eine offen antisemitische und xenophobe Partei in der Mitte der Gesellschaft und vermutlich bald auch in der Regierung angekommen ist. Didier Deschamps’ Team könnte als Beispiel geglückter Integration ein Gegengewicht bilden und die stiftige Marine trockenlegen, aber selbst ein Titel löst nicht die Probleme der Migration. Frankreich ist der Wiener Reumannplatz in groß. Belgien hat dieselbe Misere und genauso keine Lösung, außer Comics. Jahrzehntelanges Wegschauen und plötzlich wird die freie, tolerante Gesellschaft von islamistisch verhetzten Parallelgesellschaften bedroht.
Zurück zum Sportlichen: Welcher Zuseher gewinnt den Bierbecherweitwurf, und wann schafft es ein Flitzer ins TV? Domenico Tedesco, was so viel wie deutscher Sonntag bedeutet, hat mit Theate, Onana und vor allem Doku junge, talentierte Spieler, die alle Kaninchenhaftigkeit vergangener Tage vergessen machen. Trotzdem hätte man viele Pralinen gegeben, um gegen Österreich zu spielen. Frankreich ist wohl doch ein anderes Kaliber. Das Spiel wird wild, voller Fisimatenten, aber am Ende fährt der Hahn mit dem Löwen Schlitten. 2:0 wird es ausgehen, ein auch bei dieser Euro rares Resultat – in 36 Vorrundenspielen kam es dreimal vor. Es muss sein. Schon alleine deshalb, weil ich nicht wieder tausend Jahre warten will. Fran 2:0 Bel. Hat es das überhaupt schon einmal gegeben? Oder gibt es das nur auf Buchumschlägen?
Franzobel