Zwei ungewöhnliche Tage bei einer EM-Endrunde: frei. Es gab tatsächlich keine Live-Übertragungen, kein Spiel zu sehen und nix zu
tippen. Es waren gute Tage, um keine Ausreden zu suchen, damit man doch dieses eine Spiel am Abend noch mit Freunden sehen zu können. Gute Tage, um den Haussegen wieder geradezubiegen. Dazu bedarf es guter Vorarbeit, um heute wieder voll durchstarten zu können.
Diese Vorarbeit leistet auch der gesamte Betreuerstab des ÖFB, um den nächsten Gegner der Österreicher in allen Einzelteilen zu durchleuchten. Wie bei der Millionenshow rief ich sofort meinen „Türkei-Joker“, Auslandskorrespondenten, Freund und zweifachen türkischen Meister Ekrem „Eki“ Dag an. Die „Süper Lig“ ist sein Spezialgebiet, als Spieler hat er mit Besiktas Istanbul und als Co-Trainer mit Basaksehir große Erfolge gefeiert. Ich bekam eine äußert detaillierte Aufschlüsselung der individuellen Stärke des türkischen Kaders sowie einen Vorgeschmack auf das, was Österreich wohl erwartet. Ich sagte, dass ich ab und zu schon bei einem türkischen Feinkostladen in der Grazer Heinrichstraße eine Köstlichkeit zu mir genommen habe und sogar ein Freund dort aufgrund seines überdurchschnittlich hohen Döner Konsums vom Kunden zum Kollegen und dann zum Bruder befördert wurde.
Ja, brüderlich wird das Spiel am Dienstag sicherlich nicht, zu viel steht auf dem Spiel - das Viertelfinale winkt, dann vielleicht schon wieder die Niederlande und schau, dann wärst du ja schon Halbfinale. So einfach liest sich das vielleicht auf dem Papier, die türkischen Zeitungen verarbeiten aber noch immer das kleine EM-Vorbereitungstrauma vom 26. März, als Ralf Ragnicks Burschen seinem italienischen Kollegen an der türkischen Seitenoutlinie, Vincenzo Montella, sechs österreichische Volltreffer mit auf die Rückreise nach Istanbul gaben. Auch „Eki“ weiß um die emotionale Spielweise der Türken Bescheid, und, dass Montella es sehr wohl verstanden hat, den Türken eine taktische Ausrichtung zu geben, die vielleicht nicht über das ganze Spiel diszipliniert umgesetzt wird. Um dann den größten Vorteil des rot-weiß-roten Teams herauszustreichen: „ein kollektiv eingeschworener Haufen“. Ganz einfach ins Türkische übersetzt mithilfe eines internationalen Freundes, Dr. Google Translator: „kolektif olarak sıkı sıkıya bağlı bir grup“.
Ein Zungenbrecher könnte das werden, mein steirisch türkisch sicher nicht salonfähig. Kommende Woche werde ich meinen berühmten türkischen Kaffee auftischen, am besten in der schmackhaften Kombination mit Marillen- oder Topfenknödel, um mich optimal auf das Spiel vorzubereiten. Über die rechte Seite sollten die Türken außerdem stark sein. Bei der Boxbesetzung könnten sie besser agieren, der Jungstar Arda Güler in aller Munde. Zum Essen eingeladen habe ich „Eki“ als Dankeschön für das komplette Briefing mit zwei offensiven 10ern, vertikalen Steilpässen und vielem mehr.
Johnny Ertl (41), Ex-Fußballer mit Stationen bei Sturm, Austria Wien, Crystal Palace, TV-Experte, Forstwirt, Unternehmer