Entscheidungstag in der Gruppe E wie Ertl. So wie es bei uns im Haus jeden Tag etwas Neues zu erzählen gibt, bringt auch diese Gruppe ein Novum in der EM-Geschichte mit: Alle vier Nationen liegen mit drei Punkten gleichauf. Spannender kann es nicht sein. Und ungewöhnlich, wie schwer sich der klare Favorit Belgien in dieser Gruppe tut. Dies hat wohl nichts damit zu tun, dass Romelu Lukaku nach Urlauben das eine oder andere Mal übergewichtig zu seinen Dienstgebern zurückgekehrt ist. Eine überhöhte dreistellige Ziffer sollte die Waage sowohl in London als auch in Mailand fast gesprengt haben, es folgte ein strikter mediterraner Diätplan, um den bulligen Stürmer wieder torhungrig zu machen. Mit 13 Toren bei der AS Roma klappte es ja in dieser Saison, bei der EM jedoch machte ihm nicht nur seine grobe Fahrlässigkeit in Form von nicht verwertenden Top-Torchancen im Strafraum, sondern auch die Technik einen Strich durch die Rechnung.

Im österreichischen Lieblingswort „Hättiwari“, könnte auch der „Video Assistant Referee“, kurz VAR, versteckt sein. Und wäre dieser tatsächlich nicht seit 2016 Euro-Standard, hätte Lukaku bereits drei Tore auf seinem Konto und wäre so Führender der Torschützenliste. Vielleicht wird es ihm und dem ganzen Konjunktiv egal sein, in Sachen internationaler Torstatistik ist er für Belgien so oder so ein Schwergewicht. Seine 85 Treffer in 117 Länderspielen, seine besondere Art, Verteidiger zu binden sowie Bälle mit dem Rücken zum Tor genial zu verarbeiten, sprechen für sich. Nach holprigem Start in dieser EM-Endrunde scheinen De Bruyne & Co wieder als Kollektiv aufzutreten.

Enge Verbundenheit zu ihrem Land verspüren auch die ukrainischen Fußballspieler. Den Druck, einem ganzen Land für ein paar Momente Hoffnung und Ablenkung zu schenken, schien im ersten Spiel gegen Rumänien zu groß gewesen zu sein. Erst mit dem ersten Tor bei dieser EM, dem Ausgleichstreffer gegen das Überraschungsteam aus der Slowakei ging ein Ruck durch die Mannschaft, die durchaus in der Lage ist, im Umschaltspiel extrem gefährlich zu sein. Immerhin haben sie mit Dowbyk den Torschützenkönig aus der spanischen „La Liga“ in ihren Reihen sowie Altmeister Jarmolenko. Und wenn dieser Mann seinen begnadeten linken Fuß wieder richtig einstellt, dann kann einem Weiterkommen ja nichts mehr im Wege stehen. Für alle EM-euphorischen Eltern, die das Alphabet mit ihren Kindern gerade durchgehen: Gruppe A wie Alaba, Gruppe B wie Baumgarnter, Gruppe C wie Christoph… bis zur Gruppe E wie Ertl, in der alles möglich ist.

Johnny Ertl (41), Ex-Fußballer mit Stationen bei Sturm, Austria Wien, Crystal Palace, TV-Experte, Forstwirt, Unternehmer

Diese Kolumne wird präsentiert von: