Diese 26. Minute im Spiel der Schweizer gegen Schottland habe ich mir mehrmals ansehen müssen. Da war doch ein wahrer Zauberer am Werk, der es geschafft hat, sich nun endgültig in sämtliche Fußballgeschichtsbücher einzutragen. Ein begnadeter Schweizer Linksfuß, der mit einem großen spielerischen Herz auf dem Platz zum ersten europäischen Profi avancierte, der bei allen sechs großen Turnieren seit der WM 2014 zumindest ein Tor erzielte.
Seit 14 Jahren streift er das Nati-Dress über und ist ein kaum wegzudenkender Faktor im Spiel nach vorne. Solche Tore wie jenes im zweiten Gruppenspiel kann auch wirklich nur er machen. Das Kreuzeck ist ja bekanntlich immer frei, Xherdan Shaqiris Direktabnahme aus gut 20 Metern in den linken Winkel war ein wahres Zuckerl. Schmecken würde der Schweizer Nati auch dieser erste Platz in Gruppe A, dazu bedarf es eines Sieges gegen die völlig losgelösten Deutschen.
Die Buchmacher geben Trainer Murat Yakin & Co einer Fünfer-Quote auf den Sieg, eigentlich ganz lukrativ für Wettbegeisterte – und an sich gar nicht so abwegig? Die Schweizer sind bei Großereignissen taktisch immer sehr fein kalibriert und kamen mit einem neuen Formations-Kompass nach Deutschland. Yakin stellte im Frühjahr auf eine Dreierkette um – und schon scheint das Schweizer Uhrwerk wieder zu laufen. Der schnellste Spieler in den Reihen unserer Nachbarn ist sicherlich der 23-jährige Dan Ndoye. Erst auf rechts und dann wieder brandgefährlich über die Mitte eingesetzt. Ein Spieler, auf den man aufpassen sollten, denn Stefan Poschs Bologna-Kumpel spielt lebendig und mannschaftsdienlich, mit einem gehörigen Zug aufs Tor.
Seinen Kasten erstmalig sauber halten möchte auch Yann Sommer bei dieser EM-Endrunde. Er bildet zusammen mit Manuel Akanji, Leverkusens Leader Granit Xhaka und der Zaubermaus mit der Nummer 23, Shaqiri, die starke Schweizer Achse. Auf diese wird es ankommen, will man die Deutschen schlagen. Denn nach Schweizer Geschmack sollen die Deutschen bei ihrer Heim-Euro gerne einmal auf Granit beißen. (Als Empfehlung: Heute zum Hauptabendprogramm ab 21 Uhr würde ich doch eher eine Käseplatte servieren.)
Johnny Ertl (41), Ex-Fußballer mit Stationen bei Sturm, Austria Wien, Crystal Palace, TV-Experte, Forstwirt, Unternehmer