Nachdem zum Auftakt die X-Faktoren in Form von Florian Wirtz, Jamal Musiala und Kai Havertz das deutsche Spiel bestimmt haben und das DFB-Team nun nach dem zweiten Spieltag als überzeugendste Mannschaft ins Turnier gestartet ist, will ich eine Personalie besprechen, die immer im Mittelpunkt steht: Julian Nagelsmann. Seine Bestellung zum Bundestrainer im September 2023 war nicht unumstritten und hat von Anfang an viele Diskussionen in Deutschland ausgelöst. Speziell, als die Ergebnisse im November 2023 (2:3 gegen die Türkei, 0:2 gegen Österreich) denkbar schlecht waren und die ganze Nation eine erfolgreiche EM in Gefahr sah.
Nagelsmann, das deutsche Trainertalent der vergangenen Jahre, hat einen kometenhaften Aufstieg erlebt. Als er mit nur 33 Jahren zum FC Bayern ging, erlebte er, was es bedeutet, für einen der weltweit größten und politischsten Klubs zu arbeiten. Er hat auch diese Rolle angenommen.
Ich kenne ihn seit unserer gemeinsamen Jugendzeit bei 1860 München, als er 16 Jahre alt war. Obwohl er einen Jahrgang über mir war, kreuzten sich unsere Wege als Aktive in der U19, in der wir neunmal zusammenspielten, uns auch die Kabine teilten und gut verstanden. Schon damals trat Julian als lautstarker Führungsspieler auf und war ein Innenverteidiger mit hervorragendem Aufbauspiel. Er galt als vielversprechendes Talent, dem leider der Durchbruch aufgrund von Verletzungsproblemen verwehrt blieb. Daraufhin entschied er sich recht früh, eine Trainerkarriere einzuschlagen. Prägend war sein letzter aktiver Schritt zu Augsburg, wo ein gewisser Thomas Tuchel sein Trainer war. Relativ schnell danach setzte er alles auf eine Karte und entdeckte die Trainerschiene für sich.
Nach seinem Start als Jugendtrainer bei Hoffenheim habe ich lustigerweise 2016 in seiner ersten Partie als Hoffenheim-Cheftrainer gegen ihn gespielt. Wir haben mit Mainz auswärts 1:3 verloren, was auch ein Kickstarter für Julians Aufstieg war. Er schaffte den Klassenerhalt, nachdem Hoffenheim in Richtung Abstieg unterwegs gewesen war, bevor er übernahm. Der Rest ist Geschichte.
Jetzt hat es Julian mithilfe des gesamten DFB geschafft, das deutsche Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Dafür nahm er die eine oder andere Personalentscheidung zurück und verzichtet auf zu viel taktische Variabilität, gar Experimente. Wie man sieht, hat es bis jetzt bei der EM hervorragend funktioniert. Das Werkl läuft. So wie es jetzt gerade wirkt, scheint der Himmel das Limit zu sein bei dieser Heim-EM. Die Euphorie ist da. Und wenn auch noch das ein oder andere K.o.-Spiel in die richtige Richtung läuft, könnte es ein weiteres traumhaftes Kapitel in der noch jungen Karriere von Julian Nagelsmann sein.
Julian Baumgartlinger