Das Meer aus in Orange gekleideten holländischen Fußballfans ist und bleibt speziell. Der Fan-Marsch in Hamburg beim ersten Gruppenspiel sorgte für weltweites Staunen, das ganze Stadion ist bei Auftritten der Oranjes in dieser prächtigen Farbe dekoriert. Die Anhänger sorgen für beeindruckende Bilder und herzerwärmende Szenen, wenn Koeman & Co international in Erscheinung treten. Das holländische Team ist geschmückt mit der wahrscheinlich besten Verteidigung des Turnieres. Mit Kapitän Van Dijk, de Vrij, Ake und Dumfries stehen meisterliche Defensivkünstler auf dem Rasen. Dazu ein junger Torhüter, der in der Premier League in seiner Debutsaison bei Brighton für Aufsehen sorgte.
Hinten Top, aber vorne Flop? Memphis Depay sticht zwar modisch in Erscheinung, über seine Effizienz vor dem Tor lässt sich streiten. Gakpo (aufgrund seines melodischen Namens noch immer Lieblingsspieler meines Fünfjährigen Sohnes) trifft ja hin und wieder, aber nichts geht über Wout Weghorst. Ein Joker, den sich jeder Trainer wünscht. Gerade bei Großereignissen fühlt sich der 1,97 Meter große Mittelstürmer pudelwohl. Seine Präsenz im Strafraum, sein unbedingter Wille, seine Durchschlagskraft, beflügelt vom Glauben sämtlicher Oranje-Fans, dass er es sowieso richten wird. Ohne Wout also keine Party für Orange? Der überaus aggressive Spielstil wurde schon längst abgelegt, auch auf der Suche nach erfolgreichen EM-Teilnahmen muss man das Rad der orangen Zeit auch weit zurückdrehen. Vor 20 Jahren schaffte man letztmals das Halbfinale, 1988 stemmte man sogar den Pokal.
Eine gewichtige Rolle in dieser Gruppe spielt auch der heutige Gegner. Frankreich ist immer imstande, einen Gang höher zu schalten. Mit und gegen den Ball eine komplette Mannschaft, das musste auch Fußball-Österreich zur Kenntnis nehmen. Ein Selbstläufer ist das Konstrukt um N’Golo Kanté und Adrien Rabiot in der Schaltzentrale der Franzosen zwar nicht, aber beide haben ein äußerst hohes Spielverständnis, antizipieren Situationen unglaublich schnell und verfügen über hohe Passqualität. Aufseiten der Holländer schmerzt der Ausfall von Frenkie de Jong. Das Mittelfeld ist etatmäßig eine Klasse schwächer. Tijjani Reijnders spielte zwar eine „Wundersaison“ beim AC Milan, doch bedarf es einer Leistungssteigerung gegenüber dem Polen-Spiel, um das Mittelfeld der Équipe Tricolore zu beschäftigen. Genau das aber wäre wohl das Mittel zum Erfolg. Und den wünsch ich auch Ralf Rangnick und unserem Team. Rot-Weiß-Rot ab 18 Uhr. All in and Good luck!
Johnny Ertl (41), Ex-Fußballer mit Stationen bei Sturm, Austria Wien, Crystal Palace, TV-Experte, Forstwirt, Unternehmer