Als Österreicher besitzt man wenige Gewissheiten: Wir sind der Nabel der Welt, nichts gesagt ist gelobt genug, mit kleinen Gaunereien kommt man immer durch, und bei einem Schnitzel kann man nichts falsch machen. Letzteres dachte ich vor ein paar Jahren in jener deutschen Stadt, deren Name sich wie der Imperativ zur Nahrungsmittelaufnahme anhört – Essen. In der sicheren Annahme, dass dabei nichts schiefgehen könne, entschied ich mich nicht für Sauerbraten mit Klößen, Himmel und Erde oder Frikadellen mit Möhrenstampf, sondern für das altbewährte Schnitzel. Gereicht wurde mir paniertes Schweinekotelett (samt Schwarte) in Tunke aus dem Hause Knorr. Ungenießbar. In Dresden war der Burger mit Krautsalat belegt und in Schwaben gab es Hirsch, den man im Kelomat in eine hölzerne Trockenheit gestotten hatte. Die Forelle in Köln war ok, dafür gab es Wein, dessen süße Lieblichkeit an die Ausscheidung eines Diabetikers erinnerte.
Man darf sich nie zu sicher sein. Österreich ist bereits Europameister, aber im Speerwurf und Synchronschwimmen. Wir werden viel gewinnen bei dieser Euro, nämlich an Erfahrung. Realistisch ist, dass wir als Dritter aufsteigen und dann gegen England chancenlos sind. Ja, wir haben bei Freundschaftsspielen beeindruckt, aber gegen große Teams hat Österreich in Pflichtspielen auch unter Rangnick nur einmal gewonnen (3:0 gegen Kroatien gleich bei seinem ersten Spiel). Für ein Schweizer Simulationsprogramm haben Frankreich und England die besten Titelchancen (je 20%), dahinter folgen Spanien, Deutschland, Belgien. Österreich liegt immerhin an achter Stelle (2,7%). Oder zeigt Ronaldo ein letztes Mal, wer der wahre Fußballgott ist? Allerdings würde, selbst wenn Portugal den Titel holt, bestimmt Messi zum Spieler des Turniers gewählt werden.
Die Deutschen sind nicht mehr so locker wie beim Sommermärchen 2006 und auch nicht mehr so optimistisch wie 2015, als die Kanzlerin das Wir-schaffen-das-Motto ausgab. Landsterben, Zugverspätungen, eine ins Stottern geratene Wirtschaft. Der rechte Rand drängt aus dem Osten in die Mitte der Gesellschaft, Menschen trauen sich aus Angst vor Terroranschlägen nicht zum Public Viewing, und auch das Wetter ist gerade nicht lecker.
Als liberaler Europäer muss man eher zu Deutschland halten als zu Brexit-Engländern, Meloni-Italienern, patriotismustrunkenen Kroaten, Erdogan-Türken, Orban-Ungarn oder le-peniblen Marine-Franzosen. Wenn man Pflaumenmus, Berliner Weiße mit Schuss und Schorle aber nicht mag, bleibt nur Spanien. Oder Österreich? Bei uns gibt es zum Schnitzel keine Tunke, sondern Preiselbeeren, Arme Ritter heißen Pofesen und der Rest ist Powidl, weil beim Essen schlägt uns niemand. Mahlzeit.