Andrij Schewtschenko war ein großartiger Fußballer. Seine beste Zeit erlebte der heute 44-Jährige beim AC Milan. Der Ukrainer, der als Kind der Sowjetunion den Super-GAU von Tschernobyl fast hautnah miterlebt hatte und in eine weit entfernte Region verschickt worden war, gehörte zu den erklärten Lieblingsspielern von Silvio Berlusconi. Das macht nichts, denn er engagiert sich politisch trotzdem für die Sozialdemokratie.
In erster Linie ist Schewtschenko aber natürlich Fußballtrainer. Seit fünf Jahren betreut Schewtschenko die ukrainische Nationalmannschaft und seither ist es sukzessive bergauf gegangen mit diesem Team, sieht man von einem "Seuchenjahr" 2020, der Corona-Ära, ab. Die EM-Qualifikation wurde ohne Niederlage absolviert, als Gruppensieger ließ man Portugal, das einmal geschlagen wurde, hinter sich.
Als gelernter Stürmer und Torjäger weiß der Rekordschütze seines Landes, worauf es ankommt, vor allem in der Offensive. Aber das ist nicht alles, denn nach dem von einem Erfolg über Spanien unterbrochenen Rückfall hat sich die Ukraine heuer wieder konsolidiert. In den vergangenen acht Spielen gab es zum Beispiel ein 1:1 in der WM-Qualifikation gegen Frankreich und nur eine Niederlage, eben jene von der aktuellen Europameisterschaft mit dem 2:3 gegen die Niederlande.
Ein gefährliches Duo
Und auch in diesem Match haben die Spieler des letzten Gruppengegners der Österreicher bewiesen, dass mit ihnen nicht zu spaßen ist, wenn sich zum Beispiel Nachlässigkeiten einschleichen. Einen 0:2-Rückstand gegen vehement angreifende Niederländer machten die Stürmer Andrej Jarmolenko und Roman Jaremtschuk binnen kurzer Zeit wett. Auf dieses gefährliche Duo wird das ÖFB-Team besonders achtgeben müssen, denn sie erzielten auch die zwei Tore beim Sieg über Nordmazedonien.
Die Ukrainer haben sich in den vergangenen Wochen durchgehend im Raum Bukarest aufgehalten, fühlen sich also in der konstanten Schlechtwetterzone mittlerweile wie zu Hause. Sie haben, nachdem ihr Basislager von den permanent penetranten Regengüssen ausgeschwemmt worden war, rasch eine Ersatzanlage gefunden. Dort durfte am Sonntag auch Österreich trainieren. Das Wetter habe die Vorbereitung nicht beeinträchtigt, sieht Schewtschenko in der Akklimatisierung eher einen Vorteil für seine Elf gegenüber den wieder aus Seefeld eingeflogenen Österreichern.
Warnung vor einem Remis
Vor diesen warnt der Teamchef ebenso wie vor für ihn schädlichen Gedanken an ein Unentschieden. Denn dieses würde seiner Mannschaft schon reichen, um als Gruppenzweiter in London gegen Italien antreten zu dürfen. "So zu denken, kann bestraft werden. Wenn wir mit der Vorstellung ins Spiel gehen, dass ein Remis schon in Ordnung ist, dann werden wir kein gutes Resultat erzielen", sagte ein gut gelaunter und scherzender Schewtschenko beim offiziellen Pressetermin. Daher wollte er sich auch nicht auf die den gelernten Fußball-Österreichern nicht fremden Spekulationen einlassen. Es liegt sowieso in der Natur des einstigen Vollblut-Angreifers, dass er stets den Sieg im Auge hat. Das gelingt allerdings nicht immer, denn neben besagten Erfolgen hat die Ukraine auch eher enttäuschende Heim-Unentschieden gegen Finnland und Kasachstan aus der jüngeren Vergangenheit in der WM-Qualifikation zu Buche stehen.
Vor der österreichischen Mannschaft bekundete Schewtschenko großen Respekt. "Sie haben großartige Spieler in ihrem Team und mit David Alaba einen richtigen Leader." Dass Marko Arnautovic spielen wird, ahnte der ukrainische Teamchef aber ganz sicher auch schon.