"Hallo Papa! Wo bist du?“ Mit dieser Frage müssen sich derzeit elf Spieler in Österreichs 26-Mann-Kader tagtäglich auseinandersetzen. Denn eine ganze Elf hat bereits für Nachwuchs gesorgt. Die Situation, von den eigenen Sprösslingen getrennt zu sein, hat sich bei dieser Europameisterschaft noch einmal verschärft, da die Coronapandemie keinen Familienbesuch in der sogenannten Blase zulässt. Mit dieser Situation umzugehen hat etwa Marko Arnautovic gelernt. Bei seinem Klub Shanghai war der 32-Jährige quasi das gesamte Frühjahr von seiner Frau und seinen zwei Töchtern, die in Deutschland leben, getrennt. „In dieser Zeit habe ich viel durchstehen müssen. Jetzt sehe ich das Leben ganz anders. Es hat gut getan, alle drei vor der EM um mich zu haben“, sagt Arnautovic sehr emotional. „Meine Töchter sind jetzt sechs und neun Jahre alt. Die Ältere beherrscht WhatsApp und Facetime schon sehr gut. Da kommt regelmäßig der Anruf. Das freut mich sehr und danach fühle ich mich auch besser.“
Eine noch weitere Entfernung vom Base Camp in Seefeld muss Daniel Bachmann überbrücken. Österreichs Torhüter, der in England bei Watford unter Vertrag steht, lebt mit seiner Gattin Francesca und seinen zwei Kindern (ein Sohn und eine Tochter) auf der Insel. „Fünf, sechs Mal pro Tag telefonieren wir schon mit Facetime. ,Hallo Papa! Wo bist du?‘ höre ich da nicht selten. Dann muss ich genau herzeigen, wo ich bin. Das Zimmer und die Berge in Tirol. Das ist ja für uns in England doch nicht üblich, die Berge sehen zu können“, sagt der Niederösterreicher grinsend. „Die Skisprungschanzen in Seefeld, vor denen wir jedes Mal trainieren, sind natürlich ein echtes Highlight. Diese Anrufe geben auf jeden Fall unglaublich viel Kraft und motivieren. So kann man die Distanz etwas überbrücken. Natürlich vermissen wir alle unsere Familien so richtig.“
Als Jungpapa ist auch David Alaba ziemlich gefordert. Der 28-Jährige präsentierte bei der Meisterfeier des FC Bayern seinen Sohn erstmals der Öffentlichkeit. Die örtliche Trennung von seiner Lebensgefährtin Shalimar und seinem Buben fällt auch dem Superstar, der im Sommer vom deutschen Rekordmeister zum Champions-League-Rekordsieger Real Madrid wechseln wird, nicht leicht. „Diese Situation ist nicht so einfach. Es gibt sicher Schöneres. Wir müssen uns da durchkämpfen, indem wir den ganzen Tag über per Facetime kommunizieren“, sagt Alaba. „Da ist es auch enorm wichtig, dass die Stimmung innerhalb der Mannschaft so gut ist. Wir fangen uns alle gegenseitig auf. Das hilft uns auch weiter.“
Der Rekordpapa im ÖFB-Team ist übrigens auch der Kapitän. Julian Baumgartlinger und seine Gattin Laura sind stolze Eltern von zwei Töchtern und einem Sohn. „Wenn man ein gutes und inniges Verhältnis zu seiner Familie hat, Tag und Nacht daheim ist und viele großartige Momente erlebt, ist das natürlich eine Herausforderung“, sagt der 33-Jährige. „Aber wir müssen die Situation annehmen. Die letzten 15 Monate haben die Welt etwas auf den Kopf gestellt. Jetzt gilt es durchzubeißen, denn eine EM spielen zu dürfen, hat man nicht so oft.“
Dieser Meinung schließt sich auch Andreas Ulmer, der mit 35 Jahren der älteste Akteur im ÖFB-Team ist, an. „Bei allen Einschränkungen ist es natürlich eine super Gelegenheit für mich, bei einer Europameisterschaft spielen zu dürfen.“ Bei einem erfolgreichen Abschneiden heute gegen Nordmazedonien wird es für alle Team-Papas vielleicht einen Anruf mit folgendem Inhalt geben: „Hallo Papa! Ich bin stolz auf dich!“