Es war der „Geniestreich“ – Zitat von Spaniens Teamchef Luis de la Fuente – eines 16-Jährigen in der 21. Minute im Europameisterschafts-Halbfinale zwischen Spanien und Frankreich, der die Partie zum Kippen brachte. Yamine Lamal, Ausnahme-Linksfuß des FC Barcelona, legte sich den Ball von rechts kommend auf den wundervollen linken Fuß und ließ Mike Maignan im Tor der Franzosen aus mehr als 20 Metern keine Chance. Ein Treffer, wie gezeichnet, eines der schönsten Tore in der EM-Geschichte. „Es war ein wundervoller Schuss. Wirklich wundervoll“, schwärmte Didier Deschamps, Teamchef der unterlegenen Franzosen. Von der „Geburt eines Superstars“, sprach Englands Fußball-Legende Gary Lineker.

Keiner war jünger, als er das erste Mal bei einer Europameisterschaft spielte. Keiner war jünger, als er das erste Mal bei einer Europameisterschaft traf. Keiner war jünger, als er das erste Mal für den FC Barcelona eingewechselt wurde. Keiner war jünger, als er das erste Mal in La Liga von Anfang an spielte. Und jetzt hat Yamal auch Pele übertroffen: Der Brasilianer traf 1958 als 17-Jähriger bei der Weltmeisterschaft und war bisher der jüngste Torschütze bei einer Endrunde. Daran, ein Idol für andere zu sein, denkt Yamal nicht. „Ich versuche, der Mannschaft zu helfen“, erklärte er. „Und wenn es dann klappt wie heute, umso besser.““

Wenn Yamal am Sonntag feiert, ist auch Jesús Navas dabei – gegen Frankreich der Ersatzmann für den gesperrten Daniel Carvajal und damit direkter Nebenspieler von Yamal. Navas ist mit 38 Jahren älter als Yamals Vater. Und als Navas im Jahr 2006 mit dem FC Sevilla den UEFA Cup gewann, war Yamal noch gar nicht auf der Welt. Zur Verdeutlichung der Sonderklasse: Kein einziger Spieler, der in der Vorsaison in der höchsten Spielklasse Österreichs eingesetzt wurde, ist, wie Yamal, im Jahr 2007 geboren. Yamal aber verpasste nur ein Barcelona-Spiel in La Liga und traf fünf Mal. Und als der 16-Jährige im Rückspiel des Champions-League-Achtelfinals gegen PSG aus taktischen Gründen nach 34 Minuten ausgewechselt werden musste, war das der Anfang vom Ende für die Katalanen. Erfahrene Offensiv-Kapazunder wie Ferran Torres oder João Félix mussten sich bei Barca hinter dem 16-Jährigen anstellen.

„Gewinnen, gewinnen, gewinnen“

Die Devise seit Beginn der Europameisterschaft und auch noch bis Sonntag: „Nur gewinnen, gewinnen, gewinnen.“ Seinen 17. Geburtstag am Samstag möchte er am Sonntag mit seinen Nationalteam-Kollegen feiern. Und es soll keine Trauerfeier werden, der Europameistertitel soll das entsprechende Geschenk sein. „Ich habe meiner Mutter gesagt, sie muss mir nichts kaufen, wenn wir Europameister werden“, sagt Yamal, der während der Europameisterschaft sein Schuljahr positiv abschloss.

Seine Leistung macht freilich auch die Eltern stolz. „Meine Mutter hat immer gesagt, dass es auch ihr Traum ist, dass ich bei der EM ein Tor mache.“ Papa Mounir stellt seinen Stolz auf Instagram öffentlich zur Schau. Und er jubelte nach dem Traumtor seines Sohnes ausgelassen auf der Tribüne.

Und die Bewunderer sind prominent. Der verletzte Vereins- und Nationalteamkollege Pedri schlug bewundernd die Hände zusammen, als der Ball einschlug. Als Weggefährte weiß er genau, was Yamal imstande ist zu leisten und ist doch überrascht. Kylian Mbappé, unterlegener Flügelstürmer der Franzosen, blies bewundernd die Luft aus. Lobende Worte gab es auch von Rodri, Spaniens Denker und Lenker im zentralen Mittelfeld. „Die Menschen werden sich wegen dieses Tors an das Spiel erinnern. Was er gemacht hat, können nur ein paar Auserwählte.“ Was aber viel schwerer wiegt: „Ich habe auch für seine defensive Verantwortung gedankt. Die Ballgewinne, das Zurückarbeiten, wie er die Außenverteidiger unterstützt hat – das ist außergewöhnlich für einen Spieler seines Alters.“