Viel Potenzial hat Sturm-Torhüter Kjell Scherpen vor der Europameisterschaft im Kader der Holländer gesehen. „Es wird darum gehen, dass der Trainer für die junge Mannschaft das richtige System sowie die richtige Mischung findet“, erklärte der 2,06-Meter-Hüne damals. Drei Wochen später stehen die Holländer im Halbfinale und spielen gegen England um den Einzug ins Endspiel. „Es gibt keinen Grund, sich zu beschweren“, sagt Scherpen lachend.

Gemeinsam mit den Fans gelinge es den Oranjes, eine besondere Energie zu schaffen. Er selbst tanzt nach Siegen der Elftal nicht durch die Wohnung – weder nach rechts, noch nach links. „Ich bin da zurückhaltend, ich bleibe auf der Couch“, sagt Scherpen. Und doch: „Wenn wir an einem Turnier teilnehmen, dann, um es zu gewinnen.“ Umso bitterer, dass ein einziger Europameistertitel (1988) die Erfolgsbilanz der stolzen Oranjes ist. Und das, obwohl man im Kader immer wieder das Potenzial für den ganz großen Wurf hat. Früher – de Boer, Davids, Seedorf, Bergkamp, Kluivert oder später mit Ruud van Nistelrooy, Wesley Snejder, Robin van Persie oder Arjen Robben – aber auch heute. „Das sind sehr gute Spieler mit einer sehr guten Energie“, sagt Scherpen – ohne einen Spieler hervorzuheben.

Die Defensive als Prunkstück

Dass die Abwehrreihe mit Kapitän Virgil van Dijk, Stefan Vrij, Nathan Ake und Denzel Dumfries das Prunkstück des Oranje-Kaders ist, steht für Scherpen fest. Mit Cody Gakpo, Memphis Depay, Xavi Simons und Wout Weghorst, der nach seinen Einwechslungen immer gut spielte, gibt es aber auch ausreichend offensive Qualität. „Sie spielen gut und haben aus dem Spiel gegen Österreich ihre Lektion gelernt“, sagt Scherpen. „Sie geben jetzt Vollgas.“

Kjell Scherpen mit seinem Kind am „Family Day“ von Sturm
Kjell Scherpen mit seinem Kind am „Family Day“ von Sturm © GEPA pictures

Für den 23-jährigen Sturm-Torhüter, der nach Kreuzbandriss im Trainingslager wieder voll ins Training einsteigen will, war die Niederlage gegen die Österreicher doppelt bitter. „Nachrichten habe ich keine bekommen, aber ich habe die Kollegen am nächsten Tag alle gesehen.“ Nachsatz: „Aber jetzt bin ich im Halbfinale, sie sind ausgeschieden.“ Scherpen hofft freilich auf Finaleinzug und Titel seiner Landsleute. Das Halbfinale gegen England wird schwer genug. „Bei England funktioniert es noch nicht so gut, aber sie haben unglaubliche Spieler. Das wird richtig schwer.“ In einem Finale ist dann aber alles möglich. „Es wäre großartig und besonders.“

Verbruggen „für sein Alter herausragend“

Großen Anteil am Einzug ins Halbfinale hat Holland-Torhüter Bart Verbruggen. Und Scherpen kennt den 21-Jährigen gut. „Für sein Alter ist er herausragend, mehr muss man nicht sagen“, analysiert Scherpen das Spiel seines Kollegen. Die beiden haben bereits öfter gemeinsam trainiert, in den Nachwuchs-Auswahlen der Niederlande sowieso und auch im A-Nationalteam. Und es werden noch zahlreiche Trainings folgen. Denn bei Brighton, wo Scherpen seinen Vertrag verlängert hat, ist Verbruggen aktuell die Nummer eins. „Da haben wir uns aber noch nicht getroffen. Als er gekommen ist, war ich bereits bei Sturm.“

Bart Verbruggen spielt bisher ein herausragendes Turnier
Bart Verbruggen spielt bisher ein herausragendes Turnier © AFP / Ronny Hartmann

Und mit Sturm will Scherpen auch heuer wieder angreifen. Nach seiner Kreuzbandverletzung ist Scherpen am Weg zurück. „Jeden Tag mache ich ein bisschen mehr“, sagt der Holländer, der sich freut, „endlich wieder einmal Minuten zu spielen“. Ob ein Einsatz beim Saisonauftakt Anfang August realistisch ist? „Es ist noch ein weiter Weg, aber es ist das Ziel. Unmöglich ist es nicht.“