Frankreichs Fußball-Nationalteam hat es ohne selbst aus dem Spiel heraus erzieltes Tor bis ins EM-Halbfinale geschafft. In fünf Partien gab es für den minimalistischen Weltmeister von 2018 neben zwei Eigentoren nur ein Elfmetertor von Kylian Mbappe. Bei der erzitterten Viertelfinal-Nullnummer gegen Portugal am Freitag in Hamburg war am Ende die Souveränität im Elferschießen entscheidend. Es war der erste vom Punkt fixierte Aufstieg der „L“Equipe Tricolore„ seit der WM 1998.

Am 3. Juli 1998 hatten die Franzosen mit Didier Deschamps als Spieler in Paris ebenfalls nach einer Nullnummer gegen Italien im Elfmeterschießen in Paris die Oberhand behalten. Damals auf dem Weg ins Halbfinale mit 4:3. Diesmal war es ein 5:3, bei dem jeder französische Schütze keinerlei Nerven zeigte. „Ich bin stolz auf meine Spieler. Es war natürlich nicht alles perfekt. Aber ich möchte jetzt den Moment genießen“, sagte der seit 2012 als Teamchef agierende Deschamps.

Frankreichs Abwehrchef verteidigt Defensivtaktik

Von Kritik wollte er nichts wissen. Während die Effizienz wieder fehlte, war die defensive Stabilität einmal mehr der Eckpfeiler für das Weiterkommen. Erst ein Gegentor steht zu Buche. „Ich bin ein Trainer, der defensiv denkt“, betonte Deschamps. Seine Spieler haben damit kein Problem. „Seit Beginn des Turniers spielen wir solide und verteidigen erfolgreich gemeinsam. Unsere Rechnung ist: Wir haben eine 90-prozentige Chance, das Spiel zu gewinnen, wenn wir ohne Gegentor bleiben“, erläuterte Abwehrspieler William Saliba.

Als Matchwinner darf auch Mike Maignan bezeichnet werden, auch wenn er in der Elferentscheidung, wo Portugals Joao Felix mit einem Stangentreffer als einziger Akteur kein Glück hatte, keinen Schuss halten konnte. Zuvor hatte er gegen dominierende Portugiesen mit starken Paraden mehrmals die Null festgehalten. Deschamps bezeichnete die Vorstellung des 29-Jährigen vom AC Milan als „eindrucksvoll“. Die Elfmeterschützen Ousmane Dembele, Youssouf Fofana, Jules Kounde, Bradley Barcola und Theo Hernandez hätten zudem mit der nötigen „Ruhe und Souveränität“ geglänzt.

Dadurch gab es nach dem Achtelfinal-Out gegen die Schweiz bei der EM 2021 und dem verlorenen WM-Finale 2022 gegen Argentinien in der jüngeren Vergangenheit wieder einmal Grund zum Jubeln nach einem Elfmeterschießen. „Es ist uns egal, ob es verdient ist oder nicht“, meinte Mittelfeldspieler Aurélien Tchouaméni beinahe trotzig. Mbappe kam nicht nahe an seinen zweiten EM-Treffer heran, nach einem Schuss ins von einer Maske geschützte Gesicht hatte er zudem sichtlich Schmerzen aufgrund seines im Auftaktspiel gegen Österreich erlittenen Nasenbeinbruchs.

Deschamps nahm seinen Superstar trotz des nahenden Elferschießens zu Beginn der zweiten Halbzeit der Verlängerung vom Platz. „Er hatte schon zuvor zu kämpfen, es wäre sinnlos gewesen, ihn weiterspielen zu lassen. Es war ihm nicht mehr möglich Tempo aufzunehmen, er ist nicht in seiner Topform und war sehr müde“, gab Deschamps Einblick. Nach Schlusspfiff herrschte beim Neo-Real-Madrid-Kicker große Erleichterung. „Ich habe immer gesagt, egal was passiert, das Wichtigste ist immer, dass wir gewinnen. Ich habe leider erst ein Tor erzielt, aber wir sind im Semifinale und ich bin sehr glücklich“, sagte Mbappe.

Am Dienstag bietet sich im Halbfinale gegen Deutschland-Bezwinger Spanien in München die nächste Chance. Eine Aufarbeitung des Viertelfinale soll Besserung bringen. „Wir wissen, dass wir in dem Spiel auch kein Tor geschossen haben. Wir werden diese Frage gemeinsam analysieren“, sagte der 25-jährige Stürmerstar. Deschamps ist sich bewusst, dass neben Mbappe mit Antoine Griezmann auch eine weitere Offensivstütze der Topform hinterherläuft.

„Trotzdem stehen wir im Halbfinale. Als Team ist die kollektive Stärke weiter da“, betonte Frankreichs Teamchef. Die wird auch gegen die Spanier nötig sein, die mit elf Toren bisher die treffsicherste Mannschaft im Turnier waren, bei auch nur zwei Gegentoren.