Handspiel oder kein Handspiel, darüber schieden sich wieder einmal die Geister. Gastgeber Deutschland trauerte nach der 1:2-Niederlage gegen Spanien im Viertelfinale der Fußball-EM am Freitag in Stuttgart einem nicht gegebenen Elfer in der 106. Minute nach. Da hatte Marc Cucurella einen Schuss von Jamal Musiala beim Versuch, diesen an den Körper zu bringen, mit dem Unterarm geblockt. „Die Handregel ist ein verzwicktes Luder“, betonte Deutschlands Routinier Thomas Müller.

Teamchef Julian Nagelsmann wollte die umstrittene Entscheidung nicht als Grund für das EM-Aus anführen. Die Szene ließ aber auch ihn nicht los. „Wenn der Schuss von Jamal aufs Tor geht, gibt es Elfmeter, wenn er auf die Tribüne geht und das sieht man, dann gibt es keinen Elfmeter, das ist relativ simpel. Er geht aufs Tor, wahrscheinlich sogar ins Tor, und es gibt keinen Elfmeter, das kann ich nicht nachvollziehen“, sagte der 36-Jährige, der sich auch für den Einsatz neuer Technik aussprach: „Es gibt 50 Roboter, die uns Kaffee bringen, dann gibt es auch KI, die berechnet, wo die Flanke runterkommt.“

„Elfer-Beschiss“, „Elfer-Wut“, „Euroskandal“

Die deutschen Medien sahen hingegen im nicht gegebenen Elfmeter den Grund für das Ausscheiden. „Elfer-Beschiss! Für uns seid ihr die Sieger“, hieß es in der „Bild“. Und die „B.Z.“ schrieb: „Elferwut! England-Schiri verweigert uns klaren Hand-Strafstoß“. Auch international gab es die eine oder andere Schlagzeile. Die italienische „Gazzetta dello Sport“ titelte: „Euroskandal! Dieser Elfmeter wurde Deutschland nicht gegeben. Was für ein Hohn für die Deutschen.“

Auch Ex-DFB-Stütze Michael Ballack war verärgert. „Das ist eine klare Fehlentscheidung“, betonte der ehemalige Mittelfeldgestalter. Er wisse nicht, ob Schiedsrichter Anthony Taylor und sein Team sich „aus Angst oder Respekt“ gegen einen Elfmeter entschieden hätten. Fakt ist allerdings, dass sich der Engländer bei der Aufregerszene an die Handspiel-Vorgaben der UEFA gehalten hat.

Kein Statement vom Schiedrichter

UEFA-Schiedsrichterchef Roberto Rosetti hatte während einer Pressekonferenz kurz vor der EM eine vergleichbare Szene gezeigt. Leipzigs Castello Lukeba hatte im Champions-League-Spiel im Oktober 2023 gegen Manchester City den Ball auf ähnliche Art abbekommen: aus kurzer Distanz, an den nach unten hängen Arm, der zudem bei der Ballberührung nachgab. „Das ist niemals ein Elfmeter“, sagte Rosetti zu der Szene. Der Spieler versuche, den Kontakt zu vermeiden. Der Arm sei nah am Körper in einer natürlichen Position.

Taylor äußerte sich am Freitagabend nicht, die UEFA war zu dem Fall angefragt. Offen blieb auch am Samstag, ob Niclas Füllkrug bei der vorausgegangenen Vorlage für Musiala nicht ohnehin im Abseits gewesen wäre. In dem Fall wäre es egal gewesen, ob Cucurellas Handspiel strafbar war, oder eben nicht.

Es war jedenfalls die zweite strittige Handentscheidung mit deutscher Beteiligung im Turnier. Diesmal allerdings fiel sie nicht zu ihren Gunsten aus. Im Achtelfinale gegen Dänemark hatte die Hand von Joachim Andersen eine Flanke von Deutschlands Außenverteidiger David Raum gestreift, worauf der englische Schiedsrichter Michael Oliver nach Ansicht der TV-Bilder auf den Punkt zeigte. Danach hatte sich Dänemarks Teamchef Kasper Hjulmand über diese „lächerliche Handregel“ geärgert.