Für Spaniens Fußball-Nationalteam ist der Aufstieg ins EM-Halbfinale aus mehrerer Hinsicht besonders gewesen. Einerseits aufgrund des späten Tors von „Joker“ Mikel Merino, andererseits aufgrund der Tatsache, dass endlich einmal ein Gastgeber bei einem EM- oder WM-Turnier bezwungen werden konnte. „Ich habe heute definitiv einen historischen Moment erlebt“, betonte Teamchef Luis de la Fuente nach dem 2:1-Erfolg nach Verlängerung über Deutschland in Stuttgart.

Auch für die spanischen Medien war das Thema der große Aufhänger. „Für Quincoces, Zarra, Arconada, Quini, Camacho, Zubizarreta, Butragueño, Joaquín, Busquets...für sie und für alle, die zu ihrer Zeit versucht haben, den Gastgeber einer Welt- oder Europameisterschaft zu schlagen, und es nicht geschafft haben. Test bestanden“, schrieb „AS“. Und in der „Mundo Deportivo“ war zu lesen: „Schluss mit dem Fluch des Gastgebers: Spanien steht im Halbfinale.“

In die spanischen Geschichtsbücher wird der Erfolg auch aus einem anderen Grund gehen, gelangen doch den Iberern erstmals seit die EM in einem Event ausgetragen wird, fünf Siege in Folge. Das war zuvor nur Frankreich 1984 und Italien 2021 ebenso gelungen. Erfolge nach Elfmeterschießen wurden in dieser Statistik nicht eingerechnet. Beide Teams wurden in der Folge auch Europameister, ein gutes Omen für die Spanier. „Ich bin vollkommen überzeugt, dass wir mit der Mannschaft sehr weit kommen können“, sagte De la Fuente.

Nur noch zwei Hürden stehen auf dem Weg zum vierten EM-Titel nach 1964, 2008 und 2012 im Weg, nachdem zum vierten Mal in Folge ein EM-Viertelfinale siegreich beendet werden konnte. Hauptanteil daran hatte der schon in der 8. Minute für den verletzten Pedri eingewechselte Dani Olmo. Nach einem Tor (51.) und Assist war die Auszeichnung als „Man of the Match“ für den Leipzig-Stürmer verdient. Wieder einmal stach der 26-Jährige als „Joker“. In dieser Rolle gelangen ihm auf EM-Ebene schon zwei Tore und drei Assists.

„Ich bin überwältigt und so stolz. Was für ein großartiges Team, was für eine Freude. Es geht nicht nur um mich, wahrlich jeder hat bis jetzt zum Erfolg bei diesem Turnier beigetragen. Das gute Mannschaftsgefüge ist die wichtigste Sache“, sagte Olmo. Sein Team habe ein „tolles, sehr kompliziertes“ Spiel hinter sich gebracht. „Um Deutschland zu besiegen, mussten wir ein fantastisches Spiel zeigen“, meinte der Stürmer. Durch seine frühe Einwechslung war es auch für ihn eine extrem intensive Angelegenheit „Ich bin komplett fertig und leer“, gab Olmo zu.

Trotz Wadenproblemen kämpfte er sich durch und half mit, dass ein 36-jährige Serie ohne Pflichtspiel-Niederlage gegen Deutschland bestehen blieb. „Das Herz ist immer noch wichtiger als die Beine“, sagte Olmo. Sein Blick war schon nach vorne gerichtet, ausgiebige Feierlichkeiten nicht eingeplant. „Wir genießen das und werden auch feiern, aber sehr, sehr ruhig, weil wir in ein paar Tagen schon das Halbfinale haben.“ Am Dienstag geht es in München gegen Frankreich. Ob mit oder ohne Pedri steht in den Sternen. De la Fuente wollte bezüglich der Verstauchung des verletzungsgeplagten Mittelfeldakteurs im linken Knie „optimistisch“ bleiben.

Fix keine Rolle spielen können die gesperrten Stammkräfte Dani Carvajal und Robin le Normand. Für De la Fuente kein Grund zur Sorge: „Alle bei uns sind bereit, auf sehr hohem Niveau zu spielen.“ Einer davon ist Merino, der nach 118 Minuten und 52 Sekunden traf. Es war das drittspäteste Siegestor in der EM-Geschichte, den Rekord hält seit 2021 der Ukrainer Artem Dowbyk (120:36 Minuten gegen Schweden). „Um ehrlich zu sein, bin ich erschöpft. Das Adrenalin fordert jetzt seinen Tribut von mir. Es war ein einzigartiger Moment“, resümierte der 28-Jährige.

In der 80. Minute war er den Sieg vor Augen eingewechselt worden. Dann retteten sich die Deutschen durch Florian Wirtz (89.) in die Verlängerung. Dort kam der große Moment des Real-Sociedad-Akteurs, der nach idealer Olmo-Flanke einen schwierigen Kopfball im Tor unterbrachte. „Es war das Match auf das wir alle gewartet haben, von zwei der besten Teams der Welt. Es hätte genauso auch ein WM- oder EM-Finale sein können“, sagte der Matchwinner. Man habe dabei auch unter Beweis gestellt, dass man leiden könne. „Da steckt sehr viel Arbeit dahinter, wir haben ein großartiges Team.“